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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schamanistischer Buddhist.«
    »Aber wieso dann…?«
    »Mythen und Verworrenheit!« sagte Howard. »Die gewaltige Unsinnsfabrik der Menschheitsgeschichte in Betrieb! Und wie hätte es anders sein können, als er hierher in die Nachwelt kam, dieser Yeh-lu Ta-shih, verschaffte er sich prompt wieder ein Großreich auf einem vergleichbaren Territorium wie seinerzeit drüben, und als Richard Burton in diese Gegend kam und ihm vom Priester Johannes erzählte, daß die Europäer ihn vor langer Zeit bei diesem Namen nannten und ihm alle erdenklichen sagenhaften Großtaten zuschrieben, sagte er: Ja, ich bin wahrlich der Priesterkönig Johannes. Und jetzt stilisiert er sich als das, er und ein Dutzend andere, die meisten davon Äthiopier wie dieser Freund deines Freundes Mandeville.«
    »Sie sind nicht meine Freunde«, sagte Gilgamesch steif. Er lehnte sich zurück und knetete seinen schmerzenden Arm. Die Landschaft draußen veränderte sich: Sie wurde hügeliger, bestanden von unattraktiven dickstämmigen kleinen Bäumen, die seltsam schief aus dem roten Boden wuchsen. Seine scharfen Augen machten hier und dort verstreute Gruppen schwarzer Zelte an den Hängen aus und Herden dieser kleinen Dämonenpferde, die in ihrer Nähe weideten. Gilgamesch wünschte inzwischen, er hätte sich nicht zu dieser Expedition überreden lassen. Wozu brauchte er einen Priester Johann? Einen der ärgerlichsten Parvenüs unter den Potentaten der Späten Toten, einen von diesen unzähligen Kleinfürstchen, die sich hier in den endlosen Wüstengebieten des Outback unbedeutende Domänen errichtet hatten – und der regierte noch dazu unter falschem Namen –, ein schäbiger Schuft mehr, einer mehr von diesen aufgeblasenen kleinen Niemands, die vor unverdientem Stolz fast platzen…
    Aber was machte das schon für einen Unterschied?
    Er würde sich eine Weile im Land dieses Johannes aufhalten, dann würde er weiterziehen, allein und getrennt von den anderen, und einsam ohne Zweck und ziellos seinen Pfad suchen und seinen verlorenen Enkidu betrauern. Er schien diesem Verhängnis, das auf ihm lastete, nie entrinnen zu können, dieser bitteren Einsamkeit, ob er nun in Glanz und Pracht im Uruk seines alten Lebens regierte oder durch die verlassenen Wüsten dieser Nachwelt wanderte.
     
     
    »Ihre Exzellenzen P. E. Lovecraft und Howard E. Robert!« rief der Haushofmeister pompös, wenn auch inkorrekt, und stieß dreimal mit der Goldspitze seines Zeremonialstabes aus fahlgrüner Jade auf den schwarzen Marmorboden des Throngemachs. »Gesandte mit Generalvollmacht von Seiner Britannischen Majestät dem Achten König Heinrich aus dem Königreich des Neuen Heiligen Auferstandenen England.«
    Lovecraft und Howard traten einige Schritte vor. Yeh-lu Ta-shih nickte knapp und wedelte elegant mit der Hand, an der zentimeterlange Nägel prangten, beiläufig seine formelle Zurkenntnisnahme. Die Generalbevollmächtigten schienen ihn nicht besonders zu interessieren, ebenso wenig anscheinend, zu welchem Zweck Seine Britannische Majestät König Heinrich sie hierher geschickt hatte.
    Dann wandte sich der kühle hoheitsvolle Blick des Herrschers Gilgamesch zu, der sich Mühe geben mußte, auf den Füßen zu bleiben. Allmählich fühlte er sich fieberisch und benommen, und er fragte sich, ob er nicht bescheiden darauf hinweisen sollte, daß er an seinem Arm eine eitertriefende Wunde hatte. Schließlich hatte ja sogar seine Toleranz ihre Grenzen, auch wenn er diese Tatsache gewöhnlich zu verbergen trachtete. Er wußte nicht, wie viel länger er es noch durchstehen können würde. Es gab Zeiten, da war der Zwang, sich wie ein Held betragen zu müssen, ein rechter Furunkel am Hintern, und dies war ein solcher Moment.
    »…und Seine Verstorbene Erhabenheit Gilgamesch von Uruk, Sohn des Lugalbanda, Großkönig, König von Uruk, König der Könige, Beherrscher des Landes zwischen den Zwei Strömen durch die Gnade Enlils und Ans«, röhrte der Haushofmeister ebenso pompös, wobei er nur einmal auf die Karte in seiner Hand niederzubücken brauchte.
    »Großkönig?« fragte Yeh-lu Ta-shih und blickte Gilgamesch so bohrend an, wie es dem Sumerer nur selten einmal geschehen war. »König der Könige? Das sind sehr hochgestochene Titel, Gilgamesch von Uruk.«
    »Nichts als eine Floskel«, erwiderte Gilgamesch, »die mir als passend erscheint für die Vorstellung an deinem Hof. Tatsächlich bin ich derzeit König von gar nichts.«
    »Aha«, sagte Teh-lu Ta-shih. »Ein König

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