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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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finden!« Sie lächelte. »Und das haben wir auch. Dich.«
    »Aber wieso?«, hakte Lily nach. »Wofür ist das gut?«
    »Wofür?«, erwiderte Septima ausdruckslos. »Es bedeutet viel.«
    »Ich meine, warum sammelt ihr all diese Geheimnisse?« Lily schluckte den letzten Brotklumpen herunter. »Enthält sie euch jemand vor?«
    Septima zwirbelte eine Locke ihres weißen Haars und steckte sie sich in den Mund. Offenbar fehlten ihr die Worte.
    Tertius lehnte sich mit dem Rücken an die Stollenwand. »Warum atmest du?«, fragte er. »Warum isst du? Wissen beherrscht unser Leben. Wir stellen Fragen, wir erzählen uns Fakten und Geheimnisse. Je mehr man weiß, desto besser ist man gestellt.« Er verstummte. »Das gilt für alle Chorsänger. So ist das schon immer gewesen.«
    »Tertius …«, warnte Septima. Die beiden tauschten Blicke und verfielen erneut in Schweigen. Lily gewann den Eindruck, dass er gerade zu viel gesagt hatte. Und wenn Wissen wirklich das einzige war, was ihnen etwas bedeutete, war das nicht allzu überraschend. Vermutlich hatte sie für diese Information noch nicht genug bezahlt.
    Eine Weile aßen sie schweigend. Septima wischte sich Krümel von den Lippen.
    »Was machst du hier, Lily?«, fragte sie plötzlich ernst.
    Lily schlang die Finger ineinander. Wie viel sollte sie preisgeben? Natürlich konnte sie die beiden zur Verschwiegenheit verpflichten. Doch wenn sie hier mit Wissen handelten, so wie in Agora mit Besitz gehandelt wurde, dann konnte sie nicht sicher sein, ob nicht jemand nur den richtigen Preis dafür bezahlen müsste. Und dann würden Tertius und Septima sie sicher verraten. Nach wie vor betrachteten die beiden sie offenbar eher als Gegenstand denn als Menschen.
    »Ich suche …« Lily verstummte. Wonach genau suchte sie eigentlich? Es gab so viele Dinge, die man vor ihr verborgen hatte: ihre wahre Bestimmung als »Gegenspieler« – einer der legendenumwobenen Richter; die Geheimnisse, die im Mitternachts-Statut standen, jenem Dokument, das ihr Leben zu beherrschen schien. Aber das alles zu erklären würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Sie war sich ohnehin nicht sicher, ob sie diesen Fremden schon so weit vertrauen konnte, um ihnen das zu erzählen. Und dann fiel ihr spontan die Antwort ein. Es war eine Antwort, die dazu führte, dass sie sich zutiefst schuldig fühlte, weil sie ihr nicht sofort in den Sinn gekommen war. »Ich suche meinen Freund Mark«, erklärte sie. »Er ist entführt worden, und ich muss ihn finden.«
    Geistesabwesend fuhr sich Septima durchs Haar. Lily hatte irgendeine Reaktion erwartet, doch Septima war offenbar weniger daran interessiert, als sie es bei Lilys Beschreibung von Agora gewesen war.
    »Das hört sich nicht an wie etwas, das irgendwer wissen möchte«, sagte sie nachdenklich.
    »Der Dirigent vielleicht«, murmelte Tertius finster.
    Septima schauderte. »Ihn würde Lily nicht fragen wollen«, erwiderte sie rasch.
    »Warum nicht?«, wollte Lily wissen. »Ist es jemand Wichtiges?«
    »Er ist böse«, sagte Septima in überraschend beiläufigem Ton.
    »Brutal«, pflichtete ihr Tertius bei.
    »Ein Unmensch. Er hat unsere Freunde zu Sklaven gemacht«, bemerkte Septima, die nun zunehmend heftiger reagierte.
    »Er ist der Grund, weshalb wir auf der Flucht sind«, fügte Tertius hinzu. »Der Grund dafür, warum wir alles, was wir kennen, hinter uns gelassen haben und durch diese äußeren Höhlen stapfen.«
    »Zu deinem Glück«, sagte Septima. »Wenn er nicht gewesen wäre, hätten wir dich nie gefunden.«
    »Das stimmt«, sagte Tertius.
    Sie saßen stumm da.
    Lily rutschte unbehaglich hin und her. Einen kurzen Moment lang, als sie von dem Dirigenten gesprochen hatten, waren sie plötzlich aufgewühlt gewesen, hatten ernsthaft besorgt geklungen. Nun aber saßen sie wieder teilnahmslos da, so als wäre nichts geschehen. Fast war es so, als würden ihre Gefühle willkürlich an- und abgeschaltet. Je mehr Zeit sie mit diesem Paar verbrachte, desto weniger wohl fühlte sie sich. Doch jetzt in diesem Moment waren sie alles, was sie hatte.
    Sie wollte gerade wieder etwas sagen, als sie in der Ferne ein leises Echo vernahm. Einen Moment lang packte sie die Angst – waren sie etwa wieder zurück in Richtung der Kakophonie gegangen? Doch die Reaktion von Tertius und Septima machte deutlich, dass die Gefahr wesentlich unmittelbarer war.
    »Die Wächter!«, zischte Septima. »Ich wusste, dass sie uns folgen. Wir hätten nicht so lange hier verweilen dürfen!« Sie

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