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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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Doch selbst wenn ihr Karren nicht mehr funktionierte, entfernte sie sich jede Sekunde weiter.
    »Ben … Mark …«, sprach er in den Kristall. »Könnt ihr mich hören? Ich werde ihr folgen … macht euch keine Sorgen … ich werde sie finden …«
    Tertius hörte auf zu summen, und die Echos verklangen.
    »Sie werden Sie nicht hören«, sagte Tertius leise. »Nur das Orakel wird Sie hören. Aber die anderen Echos werden lauter. In dem Lärm werden Ihre Worte untergehen.«
    Laud starrte ihn zornig an. »Welche anderen Echos? Wovon reden Sie?«
    Noch während er dies sagte, fing der Kristall an widerzuhallen. Aus ihm erklangen neue Stimmen. Rufe, Schreie. Das Gebrüll einer Menschenmenge. Sie sangen etwas im Chor.
    Der Fels … Der Fels …
    »Ich verstehe nicht …«, sagte Laud, bemüht, sein Unbehagen zu verbergen. »Was ist das?«
    »Die Echos von oben«, sagte Tertius mit bebender Stimme. »Stimmen aus Agora. Jede Stimme, durch Schrecken und Gewalt lauter. Etwas ist in der Welt oben passiert. In Ihrer Heimat. Etwas … Schreckliches …«
    Die Echos der Stimmen aus dem Kristall wurden deutlicher.
    Blut für Blut … Tod für Tod … Endlich dreht sich das Rad … das Rad … das Rad …
    Entsetzt fuhr Laud zurück, doch die Rufe aus dem Kristall waren, auch als er sich zurückzog, laut genug, dass er sie hören konnte. Es waren keine Worte mehr zu vernehmen, nur Schreie und Schluchzen vor Wut und Schmerz.
    »Können Sie nicht machen, dass es aufhört?«, bat er Tertius.
    Doch der junge Mann kauerte mittlerweile weit weg an der Wand. »Die Welt ist aus den Fugen geraten«, wimmerte er.
    »Der Tag des Urteils kommt«, fügte Septima hinzu. Ihr Blick war ins Nichts gerichtet, so als wiederhole sie etwas, das sie vor langer Zeit gehört hatte. »Und Agora wird als Erstes brennen. Die Richter werden gebraucht. Finden Sie das Mädchen.«
    Laud starrte sie an und wich zurück. Er wollte weg, wünschte sich nichts sehnlicher, als Lily zu finden. Aber das konnte er nicht. Nicht so.
    »Ich … nein … ich kann nicht … ich kann meine Freunde nicht im Stich lassen … Ich kann nicht allein hinter ihr her …«
    »Finden Sie sie!«, sagte Tertius plötzlich, und hundert andere Stimmen gesellten sich zu seiner und erfüllten die Luft. Jeder Kristall in dem Stollen flammte auf. Und durch alle Stimmen hindurch vernahm er die Stimme des Orakels selbst.
    Finde sie !, rief das Orakel. Finde meine Tochter und bring sie nach Hause!
    Laud presste den Rücken gegen den Geröllberg. Tertius und Septima wirkten beinahe weggetreten, und ihre Augen blickten glasig. Sie redeten nicht mehr, sondern wehklagten, und ihre Stimmen passten sich den Rufen und Schreien an, die nach wie vor aus jedem Kristall erklangen.
    Laud drehte sich um. Furcht und Entschlossenheit trieben ihn an, und so kroch er energisch durch die Lücke, die er gegraben hatte.
    »Es tut mir leid, Ben, Mark …«, flüsterte er, als er auf der anderen Seite ankam. »Ich … ich kann nicht auf euch warten.«
    Dann rannte er in die Dunkelheit hinein.
    Stunden später irrte Laud noch immer durch die Stollen.
    Nirgendwo, nichts, niemand …
    Mittlerweile hatte er sich an die Stimmen gewöhnt. Er erinnerte sich an den Bericht Lilys von der Kakophonie, an die Erzählungen über die in den Wahnsinn treibenden Echos, welche die äußeren Höhlen heimsuchten. Als er während dieser wertvollen Stunde, bevor der Direktor von seiner Audienz beim Orakel zurückgekehrt und alles schiefgegangen war, mit ihr geredet hatte, hatte sich alles ganz harmlos angehört. Aber sie hatte ihn nicht darauf vorbereitet, wie laut es hier war.
    Wir müssen es versuchen, Direktor. Wir können sie nicht länger ignorieren. Die Leute werden sich das nicht bieten lassen!
    Er hielt seine Laterne tiefer. Die Flamme war schwach, doch er konnte die Eisenschienen sehen, sodass er nicht in irgendwelche Abgründe stürzte. Lily musste die Schienen entlanggekommen sein. Sie waren sein einziger Anhaltspunkt.
    Ich gehöre nicht denen. Ich nicht … ich nicht …
    Die Stimmen verebbten und stiegen an. Lily hatte ihnen erzählt, dass die Kakophonie aus Geräuschen aus der Welt oben bestand, aus Fetzen, die auf ewig durch die Stollen hallten. Einige der Stimmen klangen alt und ernst, andere unbeschwert und sorglos. Alle jedoch wirkten in diesem Meer von Geräuschen verloren.
    Er hatte recht. Ich hätte nie kommen dürfen. Hätte es nie erfahren dürfen, erfahren dürfen …
    Manchmal vernahm er eine Stimme, die er

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