Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
aus der Abteilung »Lieben für Dummies« die Autobiografie von Romain Gary.
»Wozu, bitte sehr?«
»Wogegen, lieber Brigadier«, korrigierte Perdu sanft. »Es ist gegen die Enttäuschung, dass einen keine Frau so sehr liebt wie die, die uns geboren hat.«
Levec wurde rot und verschwand schnell vom Bücherschiff.
»Danke«, flüsterte Max.
Als das Gendarmerieboot ablegte, war sich Perdu sicherer denn je, dass die Romane über Aussteiger und Fluss-Hasardeure so etwas Banales wie Gebührenvignetten und Schwimmwestenbußgelder bösartig verschwiegen.
»Meinen Sie, der hält dicht, dass ich hier bin?«, fragte Jordan, als sich das Polizeiboot entfernte.
»Bitte, Jordan. Was ist denn so furchtbar daran, sich mit ein paar Fans zu unterhalten oder mit der Presse?«
»Sie könnten fragen, woran ich arbeite.«
»Ja, und? Sagen Sie die Wahrheit. Dass Sie nachdenken, dass Sie sich Zeit lassen, dass Sie nach einer Geschichte graben und Bescheid sagen, wenn’s so weit ist.«
Jordan guckte, als ob er das noch nie in Betracht gezogen hätte.
»Ich habe vorgestern meinen Vater angerufen. Er liest nicht viel, wissen Sie. Nur Sportzeitungen. Ich habe ihm erzählt, von den Übersetzungen, von den Tantiemen, und dass ich bald eine halbe Million Bücher verkauft hab. Dass ich ihm dann helfen könnte, seine Rente ist ja nicht so üppig. Wissen Sie, was mein Vater da gefragt hat?«
Monsieur Perdu wartete.
»Ob ich nicht endlich mal was Richtiges arbeiten will. Und er habe schon gehört, dass ich eine perverse Geschichte geschrieben habe. Das halbe Viertel würde hinter vorgehaltener Hand über ihn lästern. Ob ich überhaupt wüsste, was ich ihm da angetan habe mit meiner Spinnerei.«
Max sah unendlich verwundet und verloren aus.
Monsieur Perdu spürte einen ungewohnten Drang, ihn an sich zu ziehen. Als er es tatsächlich tat, brauchte er zwei Anläufe, bis er wusste, wo er seine Arme hintun sollte, um Max Jordan vorsichtig an seine Schulter zu drücken. Sie standen steif da, in der Hüfte nach vorn abgeknickt.
Dann flüsterte Perdu ihm an dem Ohrenschützer vorbei zu: »Ihr Vater ist ein kleinherziger Ignorant.«
Max zuckte erschrocken zusammen, doch Perdu hielt ihn eisern fest. Er sprach leise, als teile er dem jungen Mann ein Geheimnis mit: »Er hat es verdient, dass er sich einbildet, die Leute würden über ihn reden. Stattdessen reden sie wahrscheinlich über Sie. Und sie fragen sich, wie ein Mensch wie Ihr Vater einen derart erstaunlichen, großartigen Sohn haben kann. Vielleicht das Beste, was er hinbekommen hat.«
Max schluckte hart.
Seine Stimme war dünn, als er seinerseits flüsterte: »Meine Mutter sagte, er meine es nicht so. Er könne seine Liebe nur nicht ausdrücken. Und jedes Mal, wenn er mich beschimpfte und schlug, würde er mich in Wirklichkeit nur sehr lieben.«
Jetzt packte Perdu seinen jungen Begleiter an beiden Schultern, sah ihm fest in die Augen und sagte lauter: »Monsieur Jordan. Max. Ihre Mutter hat gelogen, weil Sie sie trösten wollte. Aber es ist Unsinn, schlechte Behandlung als Liebe zu deuten. Wissen Sie, was meine Mutter gesagt hat?«
»Spiel nicht mit den Schmuddelkindern?«
»Oh, nein. Sie war nie elitär. Sie sagte, dass viel zu viele Frauen die Komplizinnen von grausamen, gleichgültigen Männern sind. Sie lügen für diese Männer. Sie lügen ihre eigenen Kinder an. Weil sie selbst genauso von ihren Vätern behandelt wurden. Diese Frauen wollen immer noch daran glauben, dass hinter Grausamkeit Liebe steckt, um nicht verrückt zu werden vor Schmerz. Aber Fakt ist, Max: Da ist keine Liebe.«
Max wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Manche Väter können ihre Kinder nicht lieben. Sie sind ihnen lästig. Oder gleichgültig. Oder unheimlich. Sie ärgern sich über sie, weil sie anders sind, als sie es sich gewünscht haben. Sie ärgern sich, weil die Kinder der Wunsch der Frau waren, um die Ehe zu kitten, wo es nichts zu kitten gab. Ihr Mittel, ihn zu einer liebevollen Ehe zu zwingen, wo es keine Liebe gab. Und das lassen solche Väter an den Kindern aus. Egal, was diese tun, ihre Väter werden sie hässlich und gemein behandeln.«
»Hören Sie doch bitte auf.«
»Und die Kinder, die kleinen, zarten, sehnsüchtigen Kinder«, fuhr Perdu sanfter fort, weil ihn Max’ innere Qual furchtbar rührte, »die tun alles, um geliebt zu werden. Alles. Sie denken, sie haben sicher irgendetwas damit zu tun, dass der Vater sie nicht lieben kann. Aber, Max« – nun hob Perdu
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