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Das Leben dahinter (German Edition)

Das Leben dahinter (German Edition)

Titel: Das Leben dahinter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Bergner
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keinen Begriff davon zu machen, wie stark der Zusammenhalt in der letzten Woche zwischen den Überlebenden geworden war. Man ging ganz anders miteinander um, wusste, dass man nur überleben konnte und den Fortbestand der menschlichen Rasse sichern konnte, wenn man von Vornherein eine unausgesprochene Nähe zu allen anderen an den Tag legte, wenn man jeden grundsätzlich als Freund ansah und jedem gegenüber offen blieb. Das schienen alle verstanden zu haben. Nur Clara nicht, weil sie es noch nicht konnte. Vorhin noch hatte sie Miles in einer offenen Sekunde davon erzählt, dass sie den Verlust ihres Onkels hautnah miterleben musste, dass sie selbst nur mit knapper Not dem Tode entkommen war und sich deshalb wie eine Mörderin fühlte. Das war natürlich Blödsinn, doch Miles konnte sich vorstellen, wie es ihr dabei gehen musste, und die Auswirkungen waren mehr als deutlich an der jungen Clara Holloway zu spüren. Es gab einfach kein Herankommen. Miles konnte sagen, was er wollte, sie reagierte ohnehin mittlerweile nur mit einem „Stimmt schon“ oder „Jaja“ oder einfach einem Nicken. Sie war nicht einmal mehr zu einer Diskussion fähig.
    „Magst du vielleicht trotzdem etwas mit mir spazieren gehen?“
    Keine Reaktion. Gesicht im Kissen vergraben. Möglicherweise war sie auch eingeschlafen.
    „Hör zu, Clara, wir haben alle zusammen unglaublich viel verloren. Die letzten Wochen waren die Hölle, insbesondere der Ausbruch auf der Argo. Das Wad’Akh’Wian-Desaster war weit weg, aber diesmal hätte es jeden von uns treffen können. Und wir alle fragen uns, warum das passieren musste. Warum es die anderen waren und nicht wir selbst. Aber wieviel Sinn hat es denn, dir darüber deinen Kopf zu zerbrechen? Es ist passiert und es war schrecklich. Das sollte niemand miterleben müssen. Aber trotzdem hat niemand etwas davon, dass du dir selbst deswegen Vorwürfe machst oder hier nur rumliegst… Dein Bewegungsapparat und deine höheren Gehirnfunktionen laufen doch noch, oder? Dann steh auf und hilf uns! Hilf uns, den letzten, kläglichen Rest der Menschheit wieder aufzupäppeln!“
    Endlich bewegte sich Clara in ihrem Bett. Sie drehte ihren Kopf zu Miles um.
    „Was soll ich denn schon tun?“, fragte sie mit belegter Stimme. „Hm?“ Sie stützte sich auf. „Soll ich mich als Baudrohne verkleiden und mit Hammer und Nagel durch die Gegend flattern? Oder soll ich mich als Zuchtkuh zur Verfügung stellen, zwanzig Kinder kriegen und mich mit kreativer Namensgebung hervortun? Oder soll ich warme Pullis für zukünftige Generationen stricken? Das ist Blödsinn! Niemand braucht mich, Miles.“
    Sie hatte sich in Rage geredet. Bildete sich ein, ihr Leben war nichts mehr wert, und sie versuchte Miles und sich selbst davon zu überzeugen. Schnaubend vergrub sie ihr Gesicht wieder im Kissen. Miles blieb ruhig.
    „Clara“, sagte er lächelnd. „ich erinnere dich an den Finlay-Holloway-Effekt. Ich kann dir ehrlich sagen, dass ich in meinem Leben niemanden kenngelernt habe, der so bedacht ist und einen kühlen Kopf behält wie du. Man könnte sagen, du bist eine Überlebenskünstlerin. Ich denke, ich wäre schon mindestens hundertmal gestorben, wenn du dich nicht um unser Equipment gekümmert hättest. Glaub mir, wir brauchen definitiv jemanden wie dich! Du denkst doch nicht ernsthaft, dass dieser komische Käpt’n das allein hinbekommt? Der Kerl denkt nicht weiter als ich. Und du weißt, wie planlos ich bin.“
    Sie nickte ihrem Kissen zu.
    „Na siehst du. Wir sollten dafür sorgen, dass das hier gut wird. Du kannst jetzt also liegen bleiben und dir selbst dabei zusehen, wie du in deinem Selbstmitleid aufgehst“ Er streckte ihr die Hand entgegen, obwohl sie es noch immer nicht sah. „oder du kannst mit mir kommen und in etwas aufgehen, das besser für dich geeignet ist.“
    Ganz langsam bewegte sie sich. Hob erneut ihren Kopf und blickte verwirrt seine ausgestreckte Hand an. Er zuckte fordernd mit den Fingern und lächelte sie breit an.
    „ Ich hab Angst“, hauchte sie dann. Doch Miles ließ sich nicht beirren.
    „Die habe ich auch , Clara. So wie wir alle…“, sagte er mitfühlend. „Wir sind hier ganz alleine und wissen nicht, ob das schon alles war. Unsere Verantwortung ist gewaltig. Klar hast du Angst! Aber wenn ich Khantresh Drakha dazu frei zitieren darf:
    ‚Furcht hat viele Gesichter. Furcht vor Zurückweisung, vor Unzulänglichkeit, vor uns selbst und noch tausend andere. Sie ist das, was uns antreibt und

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