Das Leben dahinter (German Edition)
können. Zudem konnte Johannson rein gar nichts erkennen, außer gelegentlichen Lichtblitzen und tanzenden Kreisen, wenn die Fotorezeptoren von den Kapillaren in seinen Augen rhythmisch evoziert wurden.
Ein leichter Panikanfall überkam ihn, er spürte ein Kribbeln am ganzen Körper und die Blitze vor seinen Augen verwandelten sich in dumpfes Rauschen. Es war Platzangst, die ihn plötzlich einholte. Klaustrophobie, Verfolgungswahn und übermächtige Dunkelheit in einer grausamen Kombination. Menschliche Urängste erzwangen ihren Tribut und das einzige, das dagegenstand und ihn nun ablenkte, war der Schmerz in seinem Gesicht. Ihm wurde übel.
D och er schluckte das Gefühl herunter, auch hierauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen, hatte er doch ganz andere Probleme. Außerdem konnte er im Augenblick ohnehin nirgendwo anders hin als weiter geradeaus. So redete er sich jedenfalls zu…
„ Weiter! Einfach immer weiter“, murmelte er atemlos und mit dumpfen Widerhall, während seine Unterarme seitlich wegrutschten. Wahrscheinlich auf seinem eigenen Blut. Er hoffte, dass er nicht zu viel davon verlor.
Er spürte, dass die Röhre jetzt nach links abbog. Das hieß, wenn er sich nicht irrte, dass er inzwischen an dem Quartier des Käpt’n vorbeigekrochen war und nun einen direkten Kurs auf den Tunnel hatte, mit dem er auf dieses Deck gelangt war.
Er hoffte auf Licht, auf einen minimalen Schein, der ein weiteres Gitter, seinen Ausgang ankündigte. Und er hoffte, dass der Käpt’n nicht auf ihn wartete, wenn er dort ankam…
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„Was tun Sie hier?“, fragte Lisa Stein.
Sie saß auf der obersten Stufe vorm Eingang zum Schiff. Die Sonne schien ihr ins Gesicht, deshalb hielt sie eine Hand schützend über die Augen, und sie betrachtete Miles und Clara verkniffen und irgendwie argwöhnisch.
„Das wollte ich Sie auch gerade fragen“, antwortete Miles fröhlich und flog die Stufen zur Argo hinauf. „Ist alles in Ordnung?“
„Ich …“, begann Lisa stammelnd, als Miles vor ihr stand. Sie erhob sich. Wahrscheinlich um die Augenhöhe zu wahren.
„Es geht um Mikael … Er trifft sich gerade mit Jason. Ich bin nicht sicher, was es ist, aber ich habe irgendwie ein ungutes Gefühl.“
„Kommen Sie doch mit uns“, meinte Clara und bedachte Lisa mit einem prüfenden Blick.
Die schmale Frau schien tatsächlich ein wenig ängstlich zu sein. Clara fand, dass das ganz und gar nicht zu ihr passte. Lisa war eine Persönlichkeit, eine Frau, die von den Menschen Respekt abforderte und gleichzeitig eine enorme Stärke ausstrahlte, ohne es zu merken. So war jedenfalls Claras Eindruck von ihr. Doch jetzt schien Lisa irgendwie neben sich zu stehen. Offensichtliche Gefühle für Mikael Johannson schienen ihr die Stärke genommen zu haben.
„Wir wollten gerade zum Käpt’n “, fuhr Clara fort. „Wir hätten einen Vorschlag für ihn.“
„Ach ja?“, wunderte sich Lisa.
Und dann erzählte Clara, was sie vorhatten. Berichtete von ihren früheren Kontaktversuchen und der Tatsache, dass sie möglicherweise Erfolg gehabt hätten, wäre die Zeit nicht so knapp bemessen gewesen. Aber nun hatten sie im Prinzip alle Zeit der Welt – alle Zeit von Ceres – und würden möglicherweise nur ihr eigenes Leben gefährden, sollte ihr Vorhaben keine Früchte tragen.
Stein lauschte scheinbar interessiert, obgleich sie noch immer abgelenkt war. Wieder und wieder huschte ihr Blick zwischenzeitlich zu den riesigen Toren, die den Eingang zur Argo beschrieben. Wieder und wieder musste Clara kurz innehalten, bis sie sich erneut sicher sein konnte, dass Stein ihr zuhörte. Als sie fertig war zu erklären, sagte Stein:
„Na das klingt doch gut !“ Sie sprach hastig, als hatte sie überhaupt nicht verstanden, was sie vorhatten. Vermutlich stimmte das sogar. „Wir sollten dem Käpt‘n Ihren Vorschlag umgehend unterbreiten. Ich lege auch ein gutes Wort für Ihre Sache ein.“
Der Vorwand reichte ihr offenbar, denn sie schritt sofort in das Schiff. Clara und Miles folgten ihr.
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Licht! Johannson konnte es deutlich sehen und schöpfte Hoffnung, endlich der Enge entkommen zu sein. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon in den Schächten herumgekrochen war, doch es war eindeutig zu lange gewesen!
Er war sich nicht mehr sicher, ob er die richtige Richtung beibehalten hatte. Es gab unendlich viele Abzweigungen im Belüftungssystem der Argo. Um nicht völlig wahnsinnig zu werden, hatte sich Johannson selbst als einen
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