Das Leben dahinter (German Edition)
wollte. Es war unmenschlich. Auch die Politik der PRO zum Exodus, denn die vorbereiteten Archen konnten nur wenige hunderttausende Personen aufnehmen, viele wurden mit den Worten „Wir lassen euch die Pläne da, dann könnt ihr nachkommen.“ zurückgelassen. Natürlich hatte es niemand weiter geschafft, alle waren wegen mangelnder Energie, Wärme und fehlenden Rohstoffen zugrunde gegangen. Als man die Möglichkeit hatte, die Erde erneut aufzusuchen, war niemand mehr da. Es war zu dieser Zeit nicht nur durch den Tod der Erde und von unzähligen Menschen, sondern auch durch den Tod der Solidarität eine der dunkelsten Stunden. Die PRO konnte nichts dafür, musste selektieren, dennoch war Pauli verbittert über so viel Kaltschnäuzigkeit. Menschen waren eine ziemlich gemeine Rasse, wenn es um ihren bloßen Fortbestand ging.
Was und warum das alles passiert war, konnte sich kein Mensch erklären. Selbst bis heute nicht. Es war kein Meteoriteneinschlag, kein weltweiter nuklearer Krieg und auch nicht die schleichende Zerstörung durch die eigene Rasse. Natürlich war Letzteres die Idee der ersten Stunde gewesen und viele Aktivisten – auch innerhalb der PRO – hatten damals eine Art „Wir haben es euch ja gesagt!“-Kampagne gestartet; auch das war in vielen Schriftstücken und Netzaufzeichnungen aus dieser Zeit zu finden.
Frank nahm ihnen ihre erste vorschnelle Einschätzung nicht übel, Paranoia und Verschwörungstheorien waren heute schließlich allgemeines Gedankengut und hatten sich so weit in die Weltanschauungen eingegraben, dass sie inzwischen auch den empathischen Teil des allgemeinen Bewusstseins für sich beanspruchten. Frank wäre vermutlich noch radikaler als mit Schmähschriften und Protesten gegen die damals vermeintlich schuldigen Umweltsünder vorgegangen.
Letztlich war es aber definitiv doch zu plötzlich und zu heftig passiert, als dass es mit Treibhausgasen oder der Verschmutzung der Meere zu erklären gewesen wäre. Darum mussten andere Ansätze angegangen werden.
„Wissenschaft, gib uns Antworten!“, hatte es später dann fast unisono geheißen. Sinngemäß natürlich… Doch es war selbst über den Exodus hinaus keine vernünftige Erklärung zu finden. Deshalb waren einige Forscher auch letztlich hierher zurückgekommen und hatten diese einsame Anlage aufs Eis gesetzt. Ihr Auftrag war es herauszufinden, wie es seinerzeit zu diesem planetaren Kollaps kommen konnte und warum er noch immer keine Besserung zeigte.
Damit hatten sie hier nun das einzig noch lebendige Fleckchen Erde errichtet und dass der Rest der Menschheit außerhalb noch immer mit Energieengpässen zu kämpfen hatte, schien für Frank eher ein Treppenwitz zu sein, in dieser wenige Quadratkilometer großen Parzelle auf einem sonst leeren Planeten Erde. Die ganze Macht aller Energievorräte der Welt hätte man damit für diese Oase nutzbar machen können. Wind, Wasser, geothermale Quellen sogar die kläglichen Reste von Kohle, Erdöl- und Erdgasvorkommen, konnten sie theoretisch anzapfen, wie es den bedauernswerten Zurückgelassenen seinerzeit nicht mehr möglich gewesen war. Allein die Sonne stand nicht mehr zur Verfügung, denn der Himmel war schwarz. Die Wolken waren in den oberen Schichten so dicht gedrängt, dass kein Strahl mehr den vereisten Boden erreichte. Also hatten sie sich letztlich die Windenenergie zu Nutze gemacht, denn deren Gewinnung war recht einfach und die Erträge mehr als ausreichend für die Einrichtung.
Einen Fön mit zwei Gigawatt Leistung betreiben? Normalerweise unvorstellbar, doch hier kein Problem! dachte Frank, als er sich den Tatsachen bewusst wurde und zufällig gerade ein solches Heißluftgebläse betrachtete. Er begann zu grinsen. Die perfekte Frisur, eine entsprechende Haartönung und dazu der richtige Teint – und das alles in nur zwei Millisekunden. Länger ist das aber ungesund, meine Damen.
Das Potential zur Verschwendung war hier unvorstellbar groß, aber es gab eben inzwischen faktisch keine Verbraucher mehr. Selbst Flora und Fauna waren fast vollends unter den Lasten des Schnees und der Kälte zermalmt worden und niemand sonst wollte sich hier wieder ansiedeln. Zu unwirtlich war dieser Schneeball.
Der andauernde Niederschlag tat sein Übriges und war das eindeutigste Symptom eines stagnierenden, langsam anwachsenden oder sogar abschwellenden Problems und ein absurdes Mysterium zugleich, denn es schneite überall, gleichzeitig und ständig. Aber woher kam das viele Wasser und wieso
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