Das Leben dahinter (German Edition)
warum ich damals gegangen bin.“
Johannson schien verblüfft. Wahrscheinlich konnte er sich nicht vorstellen , wie Pauli bei diesem Anblick überhaupt schlechte Gedanken entwickeln konnte.
„Und wieso?“, fragte er.
„Nennen wir es einfach Familienangelegenheiten .“
Johannson nickte und lies es damit auf sich beruhen.
Eine Weile standen beide nur still nebeneinander und betrachteten die Friedlichkeit des Planeten, welche er nur in dieser Höhe ausstrahlte.
„Alles, was wir waren und sind , befindet sich gerade in unserem Blickfeld.“ Johannson klang plötzlich wie ein Philosoph. „All unsere Boshaftigkeit, aber auch die Schönheit, die wir zu erkennen in der Lage sind und die wir selbst schaffen können, sind dort unten vereint.“
Sein Blick heftete sich auf Pauli.
„Komisch nicht? Aus dieser Perspektive sind wir Menschen nicht einmal zu sehen.“
Pauli antwortete nicht. Er hatte im Augenblick kein Interesse, sich an solchen Diskussionen zu beteiligen. Aber er hatte auch nichts dagegen.
„Frank, wussten Sie eigentlich“, setzte Johannson nach. „dass es sogar eine winzige Religion gibt, die nicht mal an die Akh glaubt?“
„Ach ja?“
„Ja, sie nennen sich Aboristen . Gerade mal sechzig Leute oder so.“
„Noch nie davon gehört.“
„Kaum jemand, hab ich auch gerade erst im Netz gefunden. Jedenfalls glaubt diese Diaspora, dass es nur eine Linie für Gottes Kinder geben kann und dass deshalb die Funde, die Texte, die Knochen und die Städte alles nur ausgemachter Schwindel sind.“
„Warum sollte das jemand erfinden?“
„Die übliche Aussage: Wir Ungläubigen sind mit Satan im Bunde und wollen die Gläubigen testen.“
„Ah a.“
„Es ist schade“, fuhr Johannson fort. „dass es uns nicht möglich ist, über unseren Tellerrand zu schauen. Unser Limit ist das Ende unserer Wahrnehmung – optisch, auditiv, sensitiv, olfaktorisch, gustatorisch – das war‘s. Außerdem können wir uns zwar vorstellen, wie das Leben vielleicht in hundert Jahren aussieht, aber dass wir dann kein Teil mehr davon sein sollen, können wir nicht recht glauben. Das Ego ist eine komische Sache und aus ihm entstehen komische Glaubenssätze.“
Pauli nickte. Johannson sollte weiterreden. Pauli mochte ihm gerade zuhören, auch wenn er dazu nichts sagen wollte.
„ Es fällt uns wahnsinnig schwer, uns von unserem Wesen zu trennen oder daraus auszubrechen. Alles das, was nicht in unseren Wahrnehmungsbereich passt, wird ausgeblendet oder als schlecht empfunden. Sowohl bei anderen Rassen als auch bei unserer eigenen. Dabei kann doch eigentlich nichts und niemand wirklich schlecht sein, oder? Ich meine, wir strengen uns immer an, gut zu sein, weil unsere Vorfahren uns so geprägt haben, aber was ist denn gut? Wir sind zwar gelegentlich mal sozial – aus einem inneren Geltungsbedürfnis heraus – aber ist das denn wirklich gut sein ? Ich finde, wir nehmen uns selbst und unsere Meinung viel zu wichtig – und ja, ich weiß, dass sich das nach einem Christuskomplex anhört, aber ich weiß auch, dass ich kein Deut anders bin, ich kategorisiere genauso.“
Johannson wartete einen Augenblick.
„Die tollen Menschen, Krone der Schöpfung!“, rief er dann und machte eine ausladende Geste. „Auch wenn wir diese Krone offenbar inzwischen teilen müssen, wir können es immer noch nicht verkraften, dass wir nun mal nichts Besonderes sind, dass unser Ego nur ein biologischer Zufall ist und wir höchstens Bedeutung für unseresgleichen haben. Aber diese Launen wird uns das Universum hoffentlich noch irgendwann austreiben.“
Dann grinste Johannson. Er hatte sich in Rage geredet und bemerkte es gerade selbst.
„ Es tut mir leid, Frank. Ich habe gerade zu viel Zeit allein in unserem Quartier verbracht. In solchen Situationen denke ich manchmal zu viel nach und dann muss das einfach raus. Sie waren dafür eben mein Ventil. Aber ich mag einfach diese Art der Engstirnigkeit nicht.“
„Das habe ich gemerkt“, Pauli schüttelte den Kopf , grinste und atmete durch. Er würde sich Johannsons Worte vielleicht später noch durch den Kopf gehen lassen, momentan beschäftigte ihn aber etwas anderes als sein metaphorischer Platz im Universum, viel mehr sein ganz realer.
„ So“, sagte er. „Und was passiert jetzt mit uns?“
„Sie meinen, was Stein gesagt hat?“
„Japp.“
„Nun, es sieht so aus, als ob wir beide auf unbestimmte Zeit auf der Argo bleiben müssen. Die wollen nicht, dass wir auf den Planeten
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