Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
hier gefunden.«
Alex las den Text über Sexton. Dann zog er mich an sich und küsste mich. »Morgen gehen wir los«, sagte er.
»Heute ist Samstag«, sagte ich. »Warte noch bis Dienstag.«
»Ich hasse diese Warterei«, sagte er. »Wenn wir noch lange warten, wird Julie es vielleicht nicht mehr schaffen.«
»Ist doch nur ein Husten«, sagte ich.
»So was wie ›nur einen Husten‹ gibt es nicht mehr«, sagte er.
Ich hielt ihn umschlungen und wir küssten uns wieder.
»Und du kommst mit«, sagte er. Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Ich weiß nicht, Alex«, sagte ich.
»Doch«, sagte er. »Du musst. Jetzt, wo ich endlich eine Bleibe für Julie gefunden habe, kann ich auch für uns Pläne machen.«
»Ich bin nicht katholisch«, sagte ich. »Und ich kann auch nicht konvertieren.«
»Das verlange ich doch auch gar nicht«, sagte er. »Ich liebe dich nicht für das, woran du glaubst. Ich liebe dich, obwohl du an nichts glaubst.«
»Ich glaube an die Familie«, sagte ich. »Das tust du auch.«
Er nickte. »Ich dachte, die Passierscheine wären das einzig Wertvolle, das ich habe. Aber du bist noch viel wertvoller. Ich werde zwei der Passierscheine an Lisa weitergeben, für sie selbst und für Gabriel. Dann kann Julie mit ihnen zusammen in der sicheren Stadt wohnen. Dein Vater, du und ich, wir suchen uns irgendwas außerhalb der Stadt. Und Charlie auch, wenn er will. Dort werden bestimmt noch Arbeiter gebraucht, Leute, die den Boden bestellen und alles sauber und in Schuss halten. Wir können das schaffen, Miranda.«
Ich dachte darüber nach – soweit mir das möglich war, so eng an Alex gepresst. Der Weg dorthin war sicher schwer. Aber in einem Monat oder einem Jahr wäre er noch viel schwerer, oder wann immer es keine Lebensmittel mehr geben würde und wir von hier wegmussten. Und dann hätte ich nicht einmal mehr Alex.
Wenn ich jetzt aufbrach, hatte Mom immer noch Jon, Matt und Syl. Sie konnte nicht viel dagegen einwenden, denn ich ging ja mit Dad zusammen fort. Und selbst wenn – sie konnte mich nicht davon abhalten.
»Ja«, sagte ich. »Oh Alex, ja!«
9. Juli
Alex zu sagen, dass ich mit ihm gehen würde, war eine Sache. Eine ganz andere, es Mom mitzuteilen.
Aber ich musste es auf jeden Fall tun. Ich konnte nicht einfach so verschwinden. Ich hatte Alex gebeten, es Dad und Lisa erst heute zu erzählen, aber sobald sie davon erfuhren, würden sie rüberkommen, um ihre Pläne zu besprechen.
Und wenn Mom es als Erstes von Jon erfahren würde, der es wiederum von Julie gehört hätte, wäre es für sie noch viel schlimmer.
Aber heute war Sonntag und Mom lehnte höflich ab, als Syl sie fragte, ob sie nicht am Gottesdienst teilnehmen wollte. Ich tat ebenso höflich das Gleiche. Mom und ich standen an der Tür und schauten Syl und Matt und Jon hinterher, wie sie zu Dad rübergingen. Jetzt war ich mit Mom allein. Ich hatte keine andere Wahl.
»Ich muss mit dir reden«, sagte ich.
Mom sah mich prüfend an, als versuchte sie abzuschätzen, wie schlimm es werden würde. Aber sie sagte nichts, sondern bedeutete mir nur, mich neben sie zu setzen.
»Alex hat Papiere«, sagte ich. »Drei Passierscheine für eine sichere Stadt.«
»Was ist eine sichere Stadt?«, fragte Mom.
»Eine Stadt, in der es noch alles gibt«, sagte ich. »Die sind von der Regierung eingerichtet worden. In denen gibt es wahrscheinlich noch Strom. Krankenhäuser, Schulen. Für wichtige Leute. Leute mit Beziehungen.«
»Und wie ist Alex an diese Passierscheine rangekommen?«, fragte Mom. »Hat seine Familie denn Beziehungen?«
»Das ist doch jetzt völlig egal«, sagte ich. »Er hat sie eben einfach.«
»Für mich ist das überhaupt nicht egal«, sagte Mom. »Denn als Nächstes wirst du mir erklären, dass du mit ihm und Julie fortgehen willst und dass ich mir keine Sorgen machen soll, weil ihr froh und munter in dieser sicheren Stadt leben werdet – was auch immer das ist. Aber sollte Alex diese Passierscheine gestohlen haben oder Schlimmeres, dann möchte ich das wissen.«
»Ich weiß nicht, woher er sie hat«, sagte ich. »Aber ich kenne Alex. Er hätte sie niemals gestohlen.«
»Na gut«, sagte Mom. »Irgendwie sind sie ihm also in den Schoß gefallen. Wie durch ein Wunder. Warum hat er Julie dann nicht längst dorthin gebracht? Was sollte das ganze Theater mit diesem Kloster, wenn da so eine nette, sichere Stadt auf sie wartet?«
»Er wusste nicht, wo es eine gibt«, sagte ich. »Sie werden geheimgehalten. Ich
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