Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
wolltest du doch immer.«
»Was?« Das war mir neu.
Nadja sagte: »Doch, doch, du hast bei der Model-Wahl dauernd gesagt, du willst gar nicht Model werden, du willst Schauspielerin werden.«
Ich weiß nicht, ob das stimmt. Daran kann ich mich jedenfalls nicht mehr erinnern.
Was sicher stimmt, ist, dass ich immer gern Gedichte vorgetragen habe. Und wenn es in Ferienlagern was zu inszenieren oder zu spielen gab, war ich immer ganz weit vorn und rief: »Hallo, ich mache mit!« Als Zehnjährige hatte ich mich auch mal bei einem DEFA-Film beworben. Sie nahmen mich nicht. Angeblich war ich mit zehn »schon zu erwachsen«. Es gab also immer Anknüpfungspunkte, aber eine bewusste Entscheidung fiel erst an einem Tag im Jahr 2003.
Da sagte ich: »Okay, ich gebe die Medizin auf und werde Schauspielerin.«
Wie Öko zurückkam
Als ich anfing, Filme zu drehen, kam ich mit ganz anderen Leuten in Kontakt. Ich war nun unter Menschen, die sich anders mit der Welt auseinandersetzten und kritisch ihrem eigenen System gegenüber waren, in dem sie lebten. Der Regisseur meines ersten Filmes, Niklaus Schilling, war verheiratet mit der Produzentin Elke Haltaufderheide. Beide gehörten auf eine Art noch der Rainer-Werner-Fassbinder-Generation an. Er kam Mitte der 60er nach München und entwickelte sich in der neuen Filmszene, zu der Klaus Lemke, Rudolf Thome und May Spils gehörten. Sie spielte in Lemkes 48 Stunden bis Acapulco und Spils’ Nicht fummeln, Liebling und Anfang der 80er in Fassbinders Berlin Alexanderplatz .
Wenn man mit solchen Menschen zusammen ist, setzt man sich mit Gedanken auseinander, die die eigene Weltsicht erweitern. Das war zumindest bei mir so. Es war einfach die Art, wie diese Leute lebten, dachten, redeten. Es war eine komplett andere Welt als die, die ich bisher durch meine Eltern und während meiner Schulzeit kennengelernt hatte. Diese Filmleute arbeiteten freiberuflich und manchmal in den Tag hinein, es gab keine langfristigen Planungen, keine definitiv stattfindenden Ereignis se. Da trafen verschiedenste Anschauungen aufeinander, da war politisches Bewusstsein, philosophische Auseinandersetzungen. Elke Haltaufderheide war Vegetarierin und auch Anthroposophin. Sie hat mich mit vielem in Kontakt gebracht, wovon ich bis dahin noch nichts gehört hatte. Ich begann, mich wieder und viel intensiver auch mit ökologischen Fragen zu beschäftigen. Zu der Zeit habe ich Upton Sinclairs Klassiker The Jungle gelesen, Der Dschungel , ein Roman über einen polnischen Ein wanderer, der in den wahrhaft schauerlichen Schlachthöfen von Chicago arbeitet. Damit begann meine erste vegetarische Phase. Das war im letzten Abiturjahr, aber ich habe es nicht besonders gut verkraftet. Ich bekam Mangelerscheinungen und gab es wieder auf.
Während des Studiums und der parallel dazu stattfindenden Dreharbeiten hatte ich den Ökogedanken ein bisschen aus meinem Leben verbannt. Ich war einfach zu viel mit anderen Sachen beschäftigt, ich war ausgelastet.
Erst 2005 kam Öko in mein Leben zurück. Meine Tochter war drei Jahre alt, meine Tätigkeit als Ärztin lag hinter mir, mein Leben hatte sich stabilisiert. Ich drehte den Film Reine Formsache, und meine Maskenbildnerin hatte immer ihr eigenes Essen für zwischendurch im Mobil. An einem Tag kam sie mit Honigwaffeln, die extrem lecker waren.
Ich fragte: »Was ist das?«
Sie meinte: »Das ist Bio.«
Ich hatte den Geschmack und alles drumherum komplett vergessen. Nun war es zurück, auch wenn es dabei nur um süße Waffeln ging. Aber damit war ich wieder im Spiel. All meine Bemühungen, Gedanken, Ansichten und Vorstellungen waren wieder präsent. Die galt es endlich umzusetzen.
4
Essen: »Ooooh, Kinderwurst!«
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, verbinde ich drei Dinge mit dem Thema »Fleisch essen«. Eine Wiener, Königsberger Klopse und ein Schwein in Ungarn.
Als kleines Mädchen ging ich oft an der Hand meiner Mutter in Wilhelmsruh zum Fleischer. Wenn wir bezahlt hatten, beugte sich die Verkäuferin über die Theke zu mir runter und drückte mir eine Wiener in die Hand. Ich wartete schon immer darauf. Und ich freute mich darauf. Dieses Bild, die Erinnerung und die Wurst sind ein elementarer Teil meiner Kindheit. Und damit ein Teil von mir. Ich kann sie fast noch riechen.
Ich weiß nicht, ob man sagen kann: Ich bin groß geworden mit einer Wiener in der Hand. Aber man kann sagen: Ich bin groß geworden mit unhinterfragtem und selbstverständlichem Fleischkonsum. Fleisch
Weitere Kostenlose Bücher