Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Außenseiterin. Ich hatte natürlich versucht, mich anzupassen, so wie die anderen zu sein. Aber der Versuch war wohl nur halbherzig und so misslang er auch. Und eines Tages gab ich auf und sagte mir: Gut, dann ist es eben so. Dann bin ich eben anders. Irgendwo werde ich schon passend sein.
Model zu werden, das war mein Fluchtplan aus dem Konformitätszwang, meinem vermeintlichen Versagen und diesem ganzen bleiernen Lebensgefühl. Die Idee wurde immer stärker, und kurz nach dem Fall der Berliner Mauer im Dezember1989 schrieb ich einen Brief an die Redaktion der Frauenzeitschrift Brigitte: Ob sie mir einen Tipp geben könnten, wie man Model wird.
Und die schrieben tatsächlich zurück! Ich solle es über eine Künstleragentur versuchen. Sie gaben mir sogar eine Adresse; den »Künstlerdienst« in Westberlin.
Im Frühjahr 1990 veranstaltete dann die Zeitung Junge Welt zusammen mit der Miss Vogue – die Jungmädchenzeitschrift der Vogue – einen Model-Wettbewerb. Ich hatte die Anzeige gelesen und schon in den Papierkorb geworfen, als mich ein Freund namens Dirk darauf ansprach und zu mir sagte, ich solle mich doch bewerben. So habe ich diese Anzeige aus dem Müll geholt und mich dann tatsächlich dort beworben, obwohl ich eigentlich zu klein bin. Das schrieb ich auf ein Post-it und heftete es auf die Fotos: »Bin zu klein, aber bitte nicht wegschmeißen.«
Drei Tage vor dieser Miss-Vogue-Wahl riefen sie mich an und sagten, es sei jemand ausgefallen und ob ich am Wochenende Zeit hätte. Das heißt: Letztlich habe ich meine ganze Laufbahn als Schauspielerin dem Zufall oder Glück zu verdanken, dass da ein anderes Mädchen ausgefallen war und die mich drei Tage vorher angerufen hatten.
Ich kam dann unter die ersten zehn von, ich glaube, über 4 000 Bewerberinnen und wurde in die Münchner Model-Agentur »Luisa-Models« aufgenommen. 1,75 Meter muss man mindestens sein. Ich bin 1,73 Meter. Wenn ich mich hochschummle. Eigentlich bin ich 1,72 Meter. Im Herbst 1990 fing ich an, Castings und Go-Sees als Model zu machen. Ich war 16 Jahre alt und Schülerin: Das war ein großes Stück Freiheit für mich. Andere, neue Städte. Andere, neue Menschen. Auf sich gestellt sein. Etwas ausprobieren. Es ging auch darum, mir zu beweisen: Vielleicht sieht mein Leben doch nicht so trübe aus. Könnte sein, ich finde sogar mal einen Freund. Bisher hatte ich beim Langsamtanzen immer alleine dagestanden. Da kommen einem die seltsamsten Gedanken: Vielleicht werde ich doch besser Nonne?
Oder Model! Modeln hat keine Inhalte, ist vollauf mit der Oberfläche beschäftigt. Du musst dich nur darum kümmern, wie du aussiehst, der Rest ist irrelevant. Aber es ist ein extrem harter Job. Man fängt früh an, hat lange, anstrengende Tage. An deren Ende ist man fertig. Und wenn man nicht ganz oben ist, wird man behandelt wie ein Stück, na ja, Vieh. Du bist fremdbestimmt, du hast kein Mitspracherecht. Du bist eine Kleiderstange.
Manchmal stritt ich während des Modelns mit anderen Models. Alles drehte sich um Konsum und Äußerlichkeiten. Wenn die mir erklärten, dass Hunger in Afrika »natürliche Auslese« sei … Ich kam frisch aus einer anderen Welt. Das war ein heftiger Aufprall. Ich bin froh, dass ich das miterleben und Erfah rungen machen durfte. Aber ich bin in dieser Welt nicht glücklich gewesen.
Es ist so, dass auch immer wieder Regisseure in Model-Karteien nach neuen Gesichtern suchen. Das hat auch der Autorenfilmer Niklaus Schilling gemacht, als er für Deutschfieber je manden suchte. Das war eine Fortsetzung seines Films Der Willi-Busch-Report von 1979. Thilo Brückner spielte die Hauptrolle, einen ehemaligen Zeitungsreporter im Grenzgebiet, der nach dem Mauerfall von einer 15-jährigen Tochter aus dem Osten überrascht wird. Die Rolle der Tochter bekam ich und habe sie dann auch gespielt, obwohl ich vorher nie Schauspielunterricht hatte.
Niklaus Schilling stellte mir eine Regieassistentin an die Seite, die Improvisationsübungen mit mir machte. Sie gab mir dadurch die Kraft und den Mut, aus dem Stegreif heraus, aus dem Bauch zu spielen. Das war 1991, und damit ging das Modeln in die Schauspielerei über. Deutschfieber verhandelte noch »Luisa-Models«, den zweiten Film zwischendurch mein Vater, dann fand ich eine Agentur.
Ich habe nach vielen Jahren in Berlin zufällig eine Frau wiedergetroffen, mit der ich damals auf diesem Modelwettbewerb war. Nadja.
Sie meinte zu mir: »Na, Christiane, bist ja doch Schauspielerin geworden. Das
Weitere Kostenlose Bücher