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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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erklärte, dass die Eltern oft dagegen seien, aus Angst, ihre Sprösslinge und deren Freunde würden die Wohnung auf den Kopf stellen.
    »Aber wäre das nicht im Endeffekt besser, als wenn deine Tochter oder dein Sohn in irgendeinem dunklen Park herumstreunt und du als Elternteil nicht weißt, was das Kind gerade anstellt?«, fragte ich.
    »Ich glaube, diese Väter und Mütter haben aufgegeben«, meinte der Kollege. »Sie wollen zwar nicht, dass ihre Kinder spätabends nach Hause kommen, aber diese gehorchen ihnen nicht mehr. Die Kinder machen einfach das, was sie wollen.«
    »Die Eltern könnten trotzdem sicher mehr tun.« Ich ließ nicht locker.
    »Nein. Die Engländer haben ihre Verantwortung vielfach dem Staat überlassen. Aus diesem Grund akzeptieren sie den Status quo.«
    Wie soll sich dann für die jungen Leute etwas verbessern, wenn schon die Eltern nicht alle am selben Strang ziehen?, fragte ich mich. Mehr denn je war ich mir bewusst, wie wenig ich an den gegebenen Bedingungen ändern konnte. Ich dachte an Akinyi, die nun schon acht war und in diesem Augenblick, nur einige Kilometer entfernt, wohlbehütet in ihrem Bett lag. Was würde aus ihr werden, wenn sie erst einmal ein Teenager war? Würde ich imstande sein, ihren Umgang, ihr Verhalten außer Haus zu kontrollieren? Schon seit geraumer Zeit ging mir immer wieder der Gedanke durch den Kopf, dass es besser wäre, England zu verlassen, bevor diese Situation akut wurde. Ich konnte mir meine Tochter einfach nicht in einem spärlich beleuchteten Park vorstellen, wo sie mit anderen, vielleicht labilen Jugendlichen herumhing, wenn auch möglicherweise nur unter dem Druck gleichaltriger Freunde.
    Schließlich fasste ich einen Entschluss: Es sollte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ich fortgehen würde. Zugleich festigte sich zunehmend der Gedanke, dass ich höchstwahrscheinlich mehr bewirken konnte, würde ich in meinem eigenen Land arbeiten.
     
     
     
     
     

28
     
    Barack war Rechtsanwalt geworden und, wie er es mir ja angekündigt hatte, in die Politik gegangen, statt in einer Kanzlei zu sitzen. Über die Jahre hatte er sein Ziel nicht aus den Augen verloren.
    Als ich eines Tages eine E-Mail von ihm erhielt, in der er mir mitteilte, er kandidiere für einen Posten als Senator, und von mir wissen wollte, was ich davon hielt, konnte ich nicht viel dazu sagen. Ich schrieb ihm zurück, dass ich die Bedeutung dieses Schritts nicht wirklich verstünde, dafür sei mir das amerikanische Regierungssystem zu fremd, aber falls es für seinen Werdegang wichtig sei, würde ich sein Vorhaben auf jeden Fall unterstützen.
    Nach einigen Monaten meldete er sich erneut, um mich zur offiziellen Einführung ins Senatorenamt einzuladen. Aha, dachte ich, er ist also tatsächlich gewählt worden. Inzwischen hatte ich mich erkundigt und erfahren – auch weil es überall in den Zeitungen stand –, dass der neue Posten meines Bruders nicht eben gering zu bewerten war. Barack war einer von fünf Schwarzen, die es bisher überhaupt geschafft hatten, in den USA als Senator gewählt zu werden. Und Jahre lag es zurück, dass der letzte Schwarze ein solches Amt übernahm.
    »Du musst kommen, Auma. Ich möchte dich sehr gern dabeihaben«, gab mir mein Bruder am Telefon zu verstehen.
    »Das kann ich mir nicht leisten. Zwei Tickets kosten …«
    Er schnitt mir das Wort ab: »Ich zahle!«
    »Nein, das geht nicht. Nicht du solltest etwas für mich tun, sondern zur Feier dieses Ereignisses sollte ich etwas für dich machen.«
    »Hör mal.« Barack wurde ungeduldig. »Ich lade noch einige andere Verwandte aus Kenia ein, und für sie zahle ich auch. Es ist mir wirklich wichtig, dass du an dieser Inauguration teilnimmst, ebenso Akinyi und deine Mutter. Deswegen müsst ihr euch in ein Flugzeug setzen.«
    Nach einigem Hin und Her willigte ich ein.
    »Wir sehen uns also in Washington, ja?«
    »Ganz bestimmt! Dennoch: Du bist verrückt, aber deshalb liebe ich dich!«
     
    Erst als ich in Washington war, begriff ich wirklich, was es für Barack hieß, zum Senator gewählt worden zu sein. Obwohl wir im gleichen Hotel wohnten, war er kaum anwesend, da er von allen Seiten beansprucht wurde. Eine feierliche Spannung lag in der Luft, und überall war große Begeisterung zu spüren angesichts dessen, was er erreicht hatte. Als eine schwarze Frau vom Sicherheitsdienst des Hotels erfuhr, dass ich Baracks Schwester war, sprach sie mich aufgeregt an.
    »Wir sind alle so stolz auf ihn!«, sagte sie

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