Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
strahlend. »Gratuliere! Gratuliere!«
Und so ging es die ganze Zeit. Man schüttelte mir immer wieder die Hand, man hofierte uns. Ich war verdutzt und überwältigt, und es kam mir fast vor, als hätte ich selbst, allein aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung zu meinem Bruder, etwas Besonderes geleistet.
Die Tage in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten waren angefüllt mit Einladungen zu verschiedensten Feierlichkeiten. Dabei konnte ich immer wieder beobachten, wie beliebt Barack war. Man jubelte ihm begeistert zu, sobald er den Raum betrat, lauschte ihm aufmerksam, wenn er sprach, und spendete immer wieder stürmischen Beifall.
Zweifellos war ich sehr stolz auf ihn und seinen Erfolg. Dennoch verblüffte mich die Wirkung, die er auf andere ausübte. Staunend und auch ein wenig schmunzelnd betrachtete ich den Mann, der mein kleiner Bruder war. Ich erinnerte mich an unser Gespräch auf der Veranda meiner Wohnung in Nairobi, als er mir von seinen Harvard-Plänen und seinem Wunsch, das Leben der Menschen zu verändern, erzählt hatte. Und da stand er nun und schaffte es, allein durch seine Anwesenheit die Stimmung im Raum völlig umschlagen zu lassen. Auf den Gesichtern derer, die gekommen waren, um mit ihm zu feiern und ihm zuzuhören, spiegelten sich die großen Erwartungen, Hoffnungen und Möglichkeiten, die er verkörperte. Sogar Baracks Kollegen schienen von ihm hypnotisiert. Mein kleiner Bruder war nun ein großer Mann, dachte ich. Würde doch nur der alte Herr noch leben, um all dies zu sehen!
Zu meiner Freude fand Barack trotz seines vollen Terminkalenders die Zeit, das einschneidende Ereignis mit einem Familienfrühstück abzuschließen, bei dem wir zu etwa dreißig Personen beisammensaßen, lachten, erzählten, den herumtollenden Kindern zusahen und glücklich waren, einander wiederzusehen.
»Heh, sister!« So begrüßte Barack mich immer am Telefon, auch dieses Mal.
»Hallo! Womit verdiene ich diesen Anruf?«, entgegnete ich scherzhaft. »Ist alles in Ordnung bei euch?«
Reflexartig vermutete ich hinter dem unerwarteten Anruf die Möglichkeit schlechter Nachrichten. Lange hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen, waren beide seit seiner Inauguration als Senator immer viel zu beschäftigt, um Zeit zum Telefonieren zu haben.
»Alles bestens.« Er klang auch wirklich guter Dinge. »Uns geht es hervorragend. Und dir? Und Akinyi?«
Es war nicht seine Art, um die Dinge herumzureden und Konversation zu betreiben. Also kam er gleich beim nächsten Satz zur Sache. Er plante eine Reise nach Kenia und wollte mich dort an seiner Seite haben. Im August würde er dem Land einen offiziellen Besuch abstatten, zugleich wollte er zusammen mit mir aber auch unsere Großmutter besuchen.
Ich konnte ihm nicht sofort eine Zusage geben. Zum einen war alles sehr kurzfristig, zum anderen gab es da das bekannte Problem der Kosten.
»Ich ruf dich zurück, wenn ich alles durchgerechnet habe«, sagte ich schließlich.
Doch er schlug vor, die Flüge zu bezahlen, ich selbst bräuchte dann nur für unsere Unterkunft zu sorgen.
»Nicht schon wieder.« Ich musste lachen. »Du kannst doch nicht dauernd unsere Flugtickets bezahlen.«
Auch Barack lachte. »Das ist wohl der Preis, den ich für eine Fernbeziehung zu meiner Schwester bezahlen muss, und dafür, dass ich will, dass sie an meinem Leben teilhat.«
Doch diesmal konnte ich das Geld für die Reise am Ende selbst aufbringen und ihm kurz nach seinem Anruf eine positive Antwort geben. Akinyi und ich würden ihn, Michelle und ihre beiden Töchter Malia und Sasha, wie Natasha nur genannt wurde, durch Kenia begleiten.
Wir trafen vor Barack und seiner Familie in Nairobi ein und bezogen ein Hotel, das nur wenige Schritte von ihrem entfernt lag. So konnten die Kinder die meiste Zeit zusammen sein, während ich meinen Bruder und Michelle zu mehreren offiziellen Besuchen im Land begleitete. Trotz allen Spektakels und vielfältigster Zeremonien fand ich es wunderbar, wieder mit den beiden in Afrika zu sein. In Nairobi herrschte mildes Augustklima, das sich an manchen Tagen sogar deutlich abkühlte.
Was mich besonders frappierte, war, wie Barack überall in Kenia empfangen wurde. Mit dem Tag seiner Ankunft wurde das gesamte Land von einer Art Obama-Manie erfasst. Menschenmengen strömten herbei, um ihn sprechen zu hören. Als er an der Nairobi University einen Vortrag hielt, waren im Saal auch die allerletzten Plätze besetzt. Viele Leute standen, und manche saßen
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