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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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der zweiten Frau meines Vaters, in den USA lebte. Ich hatte ihn noch nie dort besucht, und er war nie nach Kenia gekommen. Er war ein Fremder für mich.
    Jahrelang hatte mein Vater mich gedrängt, Barry zu schreiben, doch ich hatte mich immer mit irgendeiner Ausrede davor gedrückt. Der Bruder in den Vereinigten Staaten war zu weit weg, zu abstrakt, als dass ich mich für ihn interessiert hätte. Meine Wirklichkeit beschränkte sich auf meine unmittelbare Umgebung, und ich war mir sicher, dass es Barack genauso erging.
    Und jetzt, 1984 , meldete er sich plötzlich und jagte mir einen riesigen Schreck ein, weil sein Name und seine Schrift so unverhofft meinen Vater heraufbeschworen. Wie konnte es sein, fragte ich mich, dass die beiden eine so ähnliche Schrift besaßen, obwohl sie nur ganz kurze Zeit und dazu noch, als Barack nicht einmal im Schulalter war, zusammengelebt hatten? Später, als ich meinen Bruder besser kennenlernte, entdeckte ich eine Reihe weiterer Ähnlichkeiten, die mich regelmäßig verblüfften.
    Nach dem ersten Schock aber freute ich mich, von meinem fernen Bruder zu hören. Aufgeregt las ich seinen Brief. Barack schrieb nüchtern, aber freundlich. Er erkundigte sich nach meinem Wohlergehen und berichtete ausführlich von sich selbst, sodass ich nach der Lektüre das Gefühl hatte, mehr über meinen unbekannten Bruder zu wissen als das, was ich bislang aus den Erzählungen meines Vaters erfahren hatte.
    Nach seiner Kontaktaufnahme schrieben wir uns regelmäßig, und es dauerte nicht lange, bis wir Pläne schmiedeten, uns zu treffen. So war Baracks Brief der Anfang einer Freundschaft, die mir immer mehr bedeutet hat als eine nur geschwisterliche Beziehung.
    Elke lebte damals noch immer in den Staaten. Nach dem Ende ihres Stipendiums hatte sie beschlossen, ihr Studium in Amerika fortzusetzen. Der Zufall wollte es, dass sie genau wie mein Bruder Barack im Bundesstaat Illinois lebte. Deshalb sagte ich sofort zu, als Barack mich zu sich nach Chicago einlud, denn das gab mir die Möglichkeit, dieses Kennenlernen mit einem Besuch bei Elke zu verbinden.
    Obwohl Barack und ich uns schon seit geraumer Zeit schriftlich austauschten und uns auf diesem Weg sehr gut zu verstehen schienen, hatte ich Angst vor der ersten Begegnung. Vielleicht finden wir einander gar nicht mehr so sympathisch, wenn wir uns persönlich gegenüberstehen, dachte ich. Zwar freute ich mich auf die Reise, die mich auch zum ersten Mal in die USA führen sollte, aber ich fürchtete mich zugleich vor einer Enttäuschung. Deshalb beschloss ich, zunächst einige Tage bei Elke in Carbondale, im Süden von Illinois, zu verbringen und erst anschließend nach Chicago zu fahren. Am Ende der Tour wollten meine Freundin und ich uns erneut sehen. So hatte ich die Möglichkeit, falls das Zusammentreffen mit Barack ein Reinfall werden sollte, mich bei ihr von dem Misserfolg zu erholen.
    In der Universitätsstadt Carbondale lebte Elke in einer sehr hübschen kleinen Wohnung, die aus einem mit einem riesigen Doppelbett zugestellten Zimmer, einer kleinen Küche und einem winzigen Badezimmer mit Sitzbadewanne bestand. In dieser saß ich oft. Denn es war August, der heißeste Monat des Jahres in Illinois, und in der großen Hitze kostete mich oft die kleinste Bewegung Überwindung. Elke hatte in ihrer Wohnung keine Klimaanlage. Wenn wir nicht zur Uni fuhren, wo sie studierte und arbeitete und ich stundenlang in der klimatisierten Bibliothek saß und las, setzte ich mich gern in die mit kaltem Wasser gefüllte Wanne.
     
    »Wieso staunen die Amerikaner eigentlich immer so über die tropische Hitze in Afrika?«, fragte ich Elke. Wir hatten uns matt auf ihr riesiges Bett fallen lassen, das tagsüber auch als Sofa diente. Ich blickte nahezu abwesend durch die offene Tür in den kleinen Vorgarten, ohne mich zu ihr umzudrehen. Sich zu bewegen, kostete in der mörderischen Hitze zu viel Energie.
    »Das kannst du laut sagen. Die Hitze hier hat mich auch überrascht. Als ich in Togo meinen früheren Freund besuchte, war es dort nie so heiß wie hier im Sommer.« Elke lag erschlagen auf ihrem gigantischen Bett und regte sich ebenfalls nicht. »Weißt du, dass es hier früher Moskitos und Malaria gab?«, fragte sie träge.
    »Nein, aber bei diesem Klima kann ich es mir gut vorstellen.«
    Elke hatte ich, seitdem sie Saarbrücken verlassen hatte, ab und an bei ihren Eltern besucht, wenn sie für kurze Zeit nach Hause gekommen war. Ansonsten hielten wir unsere enge

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