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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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gekommen.
    »Jaja, Herr Graf«, wandte sich der Gendarm sofort an ihn, »Sie waren doch beim Militär, nicht wahr? Sie wissen, was sich gehört … Ich muß meiner Amtspflicht nachkommen.« Und er erzählte wiederum das gleiche, was er unserer Mutter schon gesagt hatte. Kurz darauf sahen Anna und ich – im Nu erahnend, was da kommen mußte – den Maxl, den Gendarm und die Mutter über die Stiege hinaufgehen. Wir sahen uns vielsagend an und flüsterten einander ganz leise zu: »Die Stutzen kann er lang suchen. Die hat der Lenz doch im Holz draußen versteckt.« Wir versuchten, trotz unserer Spannung arglos weiterzuarbeiten, und lauschten. Droben in der Gesellenkammer wurden der schlafende Lenz und der rote Kaspar geweckt. Der Gendarm begann ein scharfes Verhör, doch die zwei taten fast beleidigt und wußten von nichts. Theres und Emma waren in die Gesellenkammer gekommen. Die Mutter schaute in einem fort auf den höhnischen Gendarm, dann wieder auf den finster dreinblickenden Maxl, dann wieder auf den Lenz oder auf den Gesellen und sagte: »Hm, die arbeiten doch die ganze Woch’! Die haben keine Zeit, daß sie Wild schießen!«
    Das überhebliche Lächeln wich nicht aus dem Gesicht des Gendarmen. Er fing an, den Schrank zu durchsuchen, und fand einige Gewehrkugeln. Triumphierend hielt er sie dem Lenz und dem Kaspar hin, und wenngleich die beiden unverblüfft und hartnäckig leugneten, er sagte nur: »Soso! Sie wissen also gar nichts? Gar nichts? … Naja, das weitere wird sich ja bald zeigen!«
    Es klang dunkel drohend.
    Er ging.
    »Raus!« stieß der Maxl heraus und schob den Lenz aus der Kammer. Mutter, Theres und Emma folgten. Der rote Kaspar schlug die Tür zu und legte sich wieder ins Bett. Wild fiel der Maxl über den Lenz her, aber der wehrte sich kräftig und verbissen. Ein furchtbares Raufen begann. Mutter und die Schwestern stoben fürs erste erschreckt auseinander. »Saugrober Lackl! Schlagen – nichts anderes hast du beim Militär gelernt!« schrie die Theres. Aber Maxl und Lenz hatten sich wie ein Knäuel ineinandergemengt, und alle zwei bluteten um und um. Unsere Mutter und die Schwestern zerrten schreiend und schimpfend am wütenden Maxl und bekamen derbe Stöße ab, daß sie taumelnd zurücksanken. Der Dielenboden ächzte. Wir Jüngsten waren über die Stiege heraufgerannt, starrten mit großen Augen und schrien wie am Messer. Der Maxl hatte den Lenz endlich unter sich und drosselte ihn. Der fuhr ihm mit den gespreizten Fingern in die unrasierte Backe und krallte, riß und riß, daß das Blut nur so spritzte. Wie prustende Pferde schnaubten die Raufenden.
    »Du Hundsbub, du unverschämter! Was! Was!« schrie der Maxl und holte mit der Faust aus.
    Wieder fielen ihm Mutter und die Schwestern in den Arm. Der Lenz röchelte schon. Sein Gesicht war ganz blau. Mit letzter Kraft entwand er sich der Umklammerung, stemmte sich in die Höhe und lief über die Stiege hinunter. Der Maxl rannte ihm nach.
    »Schäm dich, Saukerl, dreckiger! Du bringst ihn ja um!« schrien Mutter und Schwestern.
    »Kaspar! Kaspar! Helfens! Helfens, sonst passiert was!« hämmerten Theres und Emma an die Kammertür.
    »Heiliger Herrgott, hilf!« rief unsere Mutter und weinte zerstoßen auf, denn drunten hatte der Lenz am Backofen eine Eisenstange erwischt und schwang sie drohend auf den losstürzenden Maxl. Schreckgepeitscht waren Anna und ich in die Backstube gelaufen und starrten mit klopfenden Herzen durch das in den Gang mündende Fenster. Schon hatte der Maxl den Lenz wieder, da stand der rote Kaspar mit funkelnden Augen vor ihm und sagte drohend verhalten: »Herr Graf! Jetzt muß Schluß sein! Ich geh’!« Theres und Emma benützten diesen Augenblick und schoben den Lenz zur hinteren Türe hinaus, liefen mit ihm ins Häusl der Kathl, das jetzt ein Warenmagazin war.
    »Schauen Sie Ihre alte Mutter an! Ich tät’ mich schämen!« zischte der rote Kaspar durch die Zähne. Sein breites, dickes Gesicht war dunkelrot. Einen Augenblick stand er wehrhaft da, und diesen bärenstarken Mann schien der Maxl jäh zu fürchten. Er schnitt, so gut ihm das gelang, eine andere Miene und sagte nur noch: »Gut, Sie können gehn, aber erst am Samstag!« Im Sinne des Gesetzes hatte er recht.
    »Ich geh’, wann ich mag, und zwar sofort!« warf der Kaspar kalt und bestimmt hin und tappte ohne ein weiteres Wort über die Stiege hinauf. Unsere Mutter aber ging ihm nach und beschwor ihn, doch wenigstens bis zum Wochenende zu

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