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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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bleiben.
    »Bloß wegen Ihnen, Frau Graf! Bloß wegen Ihnen … Sie tun mir leid!« brummte der Kaspar. Wie zerrädert kam Mutter herunter und schrie übers Stiegengeländer: »So, daß du es weißt, er bleibt bis zum Samstag … Eine Schand und ein Spott ist das!« Der Maxl gab nicht an, er wusch sich, schrie uns und fing wieder zu arbeiten an. Er achtete absichtlich nicht auf das geschäftige Hin- und Hergehen der Theres und Emma, die dem Lenz nach und nach seine Sachen ins Häusl hinausbrachten und ihm Geld gaben. Anna und ich wagten nicht aufzuschauen, noch weniger, sie zu fragen.
    »So«, sagte Theres endlich giftig zum Maxl, »so, jetzt ist er fort! Jetzt hast du wieder einen los von uns, du Hammel!« Er gab nicht an. Der Lenz war in die Stadt gefahren. Zerbrochen saß unsere Mutter in der Kuchl. Sie dachte nicht einmal mehr ans Beten. Ihr Gesicht war zermürbt und hoffnungslos. Alle ihre Kraft schien sie verloren zu haben. Die Theres ging in den Laden. Die Emma nähte wieder in ihrer Kammer. Leni war auf dem Feld beim Mähen.
    »Mach, daß du ins Bett kommst! … Heut nacht mußt du mithelfen! Marsch!« fuhr mich der Maxl nach einer Weile an. Ich ging hinauf und legte mich in das noch leicht gewärmte Bett vom Lenz. Morgen war ein schulfreier Mittwoch.
    Am Anfang der Nachtarbeit verhielt sich der Kaspar stumm und mürrisch, endlich aber, als er meinen Eifer merkte, fing er zu reden an. Es war ihm anzusehen, daß er nicht gern von uns ging. Über zehn Jahre war er dagewesen und immer gut ausgekommen mit dem Vater selig, mit uns allen. Die letzten schweren Geburten der Mutter hatte er miterlebt. Er kannte ihr hartes Leben, ihren Kummer, ihr nimmermüdes Plagen, und er nahm ihr manche Arbeit ab.
    »Fremde sehn das Hauswesen oft besser wie die eigenen Kinder«, sagte er nachdenklich zu mir, »so ein Geschäft, das heißt was! … Der saugrobe Maxl meint, das ist eine Kasern’. Wenn er so fortmacht, das bringt ihm kein Glück. Da geht’s bald bergab. Mit dem ist kein Auskommen.« Es schaute mehr danach aus, als sage er das zu sich. Dann aber schaute er mich an und meinte so, daß es mich freute: »Aber der Lenzl? Gewehrt hat er sich wie der Teufel. Der Lenzl ist ein guter Bäck. Der bringt sich leicht fort.«
    Der Kaspar ging nie in die Kirche und lebte stumpf dahin. Er erweckte den Eindruck eines gutmütigen, etwas schlampigen Phlegmatikers, doch er war ein ausgezeichneter Bäcker und hatte zeitweise recht drollige Einfälle, über die wir wochenlang lachten. Volle Obstbäume in den Nachbargärten konnte er nicht sehen. In den Sommernächten, mitten unter der Arbeit, räumte er sie ab, versteckte das Obst in unserem Heu, und wir hatten den ganzen Winter schöne Äpfel. Niemand im Haus fand etwas daran. Er war stets dabei, wenn es irgendein Gaudium zu machen galt, und war dann voll Eifer. Er hatte viel von einem Bären, der gezähmt war und unter Menschen lebte wie einer ihresgleichen. Aber wenn er zornig war, fürchtete jeder seine Körperkraft und wich ihm aus.
    »Deiner Mutter«, meinte er wieder nach einer Weile des Arbeitens, »der sollt’ unser Herrgott eigentlich besser beistehen … Jetzt, wo euer Vater tot ist.« Er schwieg und atmete schwer, als ginge ihm vieles, was er in all den Jahren erlebt hatte, durch den Kopf. Mich überkam eine verhaltene Traurigkeit.
    »Wenn ich in die Stadt komm’, ich schau’ schon, daß der Lenzl eine gute Stellung kriegt … Um den ist mir nicht angst«, sagte der Kaspar wieder, und da wurde mir wohler. Ich hatte ein Gefühl, als ob dieser starke Mann wirklich dem Lenz so helfen könnte, daß keine Fährnisse kommen konnten. Er riet mir, wir sollten nur ja nie ein Wort vom Wildern verlauten lassen und die Flobertgewehre lieber im Holz draußen verrosten lassen, denn jetzt seien der Jäger und der Gendarm sicher dahinter. Das Vertrauen, das daraus sprach, machte mich stolz. Ich arbeitete noch flinker und schwor im geheimen, den Kaspar und den Lenz – wie wir’s aus den Indianerbüchern gelesen hatten – »zu rächen«.
    In der darauffolgenden Woche kam ein anderer Geselle aus München, der dem Maxl wegen seines militärischen Auftretens gefiel. Er buk aber ein sehr wenig geratenes Brot und hatte stets eine andere Ausrede. Da ich noch keine Schulferien hatte, mußte der Maxl nachts mithelfen. Das Brot wurde deswegen besser. Unsere Mutter grämte sich darüber, bei uns überwog die Schadenfreude. Als endlich der Sommer anbrach, entließ der Maxl den untauglichen

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