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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Gugger stets dumm an das Backstubenfenster, das in den Gang hinausführte, und blickte auf das Fenster der gegenüberliegenden Wand, durch das man in den Stall sehen konnte. Dort hantierte die Leni. Aufmerksam verfolgte der Gugger alle Bewegungen, die sie machte, und manchmal erglänzten seine dunklen, tiefliegenden Augen.
    Ich kehrte gewöhnlich die Backstube zusammen um diese Zeit. Das störte ihn einmal, und er versetzte mir wortlos einen Fausthieb ins Gesicht, daß ich zurücktaumelte und Nasenbluten bekam. Stumm ging ich an den Brunnen und wusch mich.
    Sonderbar, der Gugger erbot sich sogar, täglich mit der Leni das Gsott zu schneiden. Unserer Mutter, für die ein Geselle stets eine Respektsperson war, gefiel das. Doch der Maxl war dagegen. Ich mußte jedesmal in die Tenne.
    Mit der Leni arbeitete ich gern. Es strömte eine so geduldige Friedfertigkeit von ihr aus. Ich war damals sechzehn Jahre alt. Ich hatte keinen Freund, keinen Menschen, dem ich – ohne ihm selber weh zu tun – mein Herz ausschütten konnte. Mutter litt, wenn ich litt, Emma wurde traurig, wenn ich ihr vorklagte, und das machte wiederum mich traurig. Meine kleine Schwester Anna verstand noch vieles nicht. Leni dagegen sah mich stets mitleidig an, so fast, als wolle sie mich streicheln und sanft aufrichten.
    »Mein Gott, Oskar, du hast auch nichts Schönes«, sagte sie einmal, »euer Vater ist eben zu früh gestorben. Der Mutter folgen die älteren Geschwister nicht mehr. Das ist überall so, auch bei mir daheim. Ich hab’ als junges Mädl in die Fremde müssen, und oft sind die Leut’ auch recht grob zu mir gewesen … Da braucht’s viel Geduld … Wenn ich mich gar nicht mehr auskenn’, geh’ ich halt in die Kirch’ …«
    Sie war glücklich auf ihre Art. Sie glaubte an Gott und Kirche. Wir kannten das schon längst nicht mehr. Etwas wie ein unbestimmter Neid überkam mich. Ich schaute nach ihr, sah ihre kleine, schmalschulterige Figur in dem enganliegenden bäuerlichen Spenzer, den schweren, faltigen Rock, sah das kleine, sonnenverbrannte, gute Gesicht mit den ruhigen graubraunen Augen, und alles, alles kam mir auf einmal schön und innig vor. Ich wurde verwirrt, wollte etwas sagen und konnte nicht. Ich freute mich immer mehr, wenn ich mit der Leni allein war.
    Einmal trieb ich wieder mit aller Kraft das Schwungrad der Gsottmaschine und brachte während des Treibens meine Augen nicht von der Leni. Es wurde mir seltsam heiß, und nach und nach war mir’s, als fliege mein Körper bei jedem Schwung nur noch mechanisch mit. Meine Brust wurde mir eng. Das Herz schlug mir bis zur Gurgel herauf und drohte zu zerspringen. Jeder Schlag peitschte gleichsam eine jähe, gefährliche Blutwelle in mir hoch. Meine Augen brannten, alles verschwamm mir.
    »Wart ein wenig, ich will das Gsott wegräumen«, hörte ich die Leni sagen. Stockend hielt ich inne. Sie kam an mich heran, um das gehäufte Gsott in den Schacht zu schütten, der in den Stall hinunterführte. Ihr ausholender Ellenbogen berührte mich. Ich zitterte, schrak zusammen, fühlte eine Schwäche durch alle meine Glieder rieseln und fiel der ahnungslosen Leni wie ein Ertrinkender um den Hals. Fest klammerte ich mich an sie, drückte mein heißes Gesicht auf das ihre, spürte ihren schnellen, erschrockenen Atem und wimmerte wie zergehend: »Leni! Leni! Meine Leni!« Augenblickelang verlor ich fast die Besinnung. Alles um mich wurde traumhaft unwirklich, und mein Kopf glühte. Ich kam erst wieder zu mir, als sie »Aber Oskar? Oskar! Nimm dich doch zusammen!« sagte und meine um ihren Nacken geschlungenen Arme auseinanderschob. Bleischwer fielen sie herab.
    »Oskar? Was hast du denn? Geh!« sagte sie wiederum und schaute mich sonderbar an. Ich stand hölzern da, völlig hilflos. Es war etwas Unbegreifliches geschehen, das ich nicht nennen konnte.
    Als ich über die Stiege heruntergehen wollte, stand der Maxl drohend da. Er brüllte auf und riß mich in die Gesellenkammer. Er hatte meinen Schrank erbrochen und meine heimlich gekauften Bücher entdeckt. Sie lagen auf dem Kammerboden. Mit einer Militärknute hieb er auf mich ein, schlug und schlug. Das Blut rann mir an allen Seiten herab, aber ich schrie nur ein paarmal und weinte nicht mehr. Auch die Schläge spürte ich nicht mehr. Himmel und Hölle hatten zu schnell gewechselt für mich. Etwas war für immer zu Ende.
    Am selben Abend lief ich davon. Ich floh in die unbekannte Stadt.

Sinnlose Jahre
    Trotz alledem, was in der großen

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