Das Leben meiner Mutter (German Edition)
kennt. Die hat sich in nichts einmischen wollen, aber sofort ist die Moni eifersüchtig worden und hat die Leni schikaniert. Sie ist oft nach Feierabend zu uns ins Kramerhaus hinauf kommen, die Leni, und da hat sie uns immer alles g’sagt … Ein guter, ehrlicher Mensch ist sie gewesen, die Leni. Ich hab’ nicht leicht eine Dirn so gern gehabt wie sie … Einmal kommt sie daher und ist ganz verdattert und verweint, und, sagt sie, Bäckin, sagt sie, ich hab’ alles ausgehalten, aber jetzt muß ich weggehen, jetzt muß ich fort … Das geht nicht mehr … Und nachher hat sie uns erzählt, daß der Maxl, wie er einmal nachts heimkommen ist und durch ihre Kammer gegangen ist, in ihr Bett hat wollen und sie abgebusselt hat und das Jammern und Wimmern angefangen hat, die Moni ist sein Unglück und bloß sie hat er gern, sie, sie, die Leni … Sie hat ihn weg’druckt und gesagt, ob er sich denn nicht Sünden fürcht’t, und da ist er ganz dasig geworden und in seine Eh’kammer ’gangen …«
Hastig hatte die Mutter alles gesprochen. Jetzt, da sie den steifgeschlagenen Eierschnee aus dem Kupferkessel in die andere Kuchenmasse schüttete, zitterten ihre Hände. Ihr Atem ging schneller als sonst.
»Jetzt weißt du’s!« sagte sie noch einmal. Ich fand das Wort nicht und – wirklich – einen Huscher lang empfand ich sogar Mitleid mit dem Maxl.
»Mein Gott, was ist er doch für ein sonderbarer, verpfuschter Mensch!« konnte ich nur sagen, dann aber überwehte mich wieder der alte Groll gegen ihn.
»Ja«, fuhr Mutter während des Kucheneinrührens fort, »und wie er jetzt in den Krieg fort hat müssen, da ist er hinauf ins Kramerhaus zu uns, und da hat er gar einmal gut reden können! … Mutter, hat er zu mir gesagt, Mutter, ich bitt’ euch, geht alle wieder ins alte Haus ’nunter, helfts zusammen, die Moni taugt nichts. Und wenn was passiert, sagt er, bei euch weiß ich wenigstens, daß alles rechtschaffen gemacht wird …« Sie rührte und rührte, aber ich merkte, es fielen ein paar Tränen in die Kuchenmasse.
»Und zuletzt, da hat er uns allen fest die Hand gedrückt, der Maxl, und mir hat er in die Augen geschaut und gesagt hat er: Ich dank dir schön, Mutter!« schloß sie bedrängt. Ich nahm ihr den Kessel aus der Hand und rührte die Kuchenmasse gar.
»Die Leni sollt’ er geheiratet haben, der Maxl. Das hab’ ich mir immer gewünscht«, sagte sie nach einer Weile und wischte sich die Augen aus.
»Ja, warum hast du es ihm denn nie gesagt, Mutter?« fragte ich. Ihr Gesicht wurde ein wenig verlegen. Sie lächelte dünn und zaghaft. Sie zuckte leicht mit den Achseln.
»Tja, mein Gott, sagen? … Sagen kann man so was einem Menschen nicht!« brachte sie endlich heraus. Und jetzt überzog ein stiller Schimmer ihre Züge. Ich merkte, wie wohl ihr das getan hatte, so mit mir zu reden …
Schließlich um die Septembermitte wurde ich gemustert und mußte bald darauf zum Trainbataillon nach München einrücken. Es wurde Winter, und ich war schon mit einem Stab, der die Eisenbahnbau-Kompanien leitete, tief in Polen. Da erreichte mich ein Brief von Emma:
»Lieber Oskar!
Der Maxl hat vier Schüsse in das Rückenmark bei einem Sturm bekommen. Er ist im Kriegslazarett gestorben. Schrecklich hat er leiden müssen. Stell dir nur vor, sein Hauptmann wollte ihm vor dem Sturm einen Urlaub geben, weil er ein so guter, tapferer Soldat war. Der Maxl aber hat das abgelehnt und gesagt, jeder muß jetzt seine Pflicht tun. Jetzt ist er tot. Die Moni tut wie eine Verrückte, aber sie hat den besten Appetit dabei. Unsere Mutter ist gefaßt, aber doch sehr traurig. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, lieber Oskar, ich bin auch recht niedergeschlagen. Du weißt, wir alle haben den Maxl nie mögen. Er war ganz anders wie wir alle, fast wie ein Fremder. Aber er hat Unglück mit der Moni gehabt, und jetzt ist er gefallen. Er war eben doch unser Bruder. Denk auch Du an ihn!
Ich bin viel krank und muß oft im Bett liegen, da kann ich alles so gut überlegen. Hoffentlich passiert Dir nichts. Herzlichen Gruß – Emma, Theres und Mutter.«
Darunter hatte meine Mutter noch einmal hingekritzelt: » Lieber Osgar, auf Wiedersehen – gruß Mutter.«
Ich überdachte noch einmal das ganze Leben Maxls. Ich bewunderte Emma. So gerecht, wie sie schrieb.
Ich konnte nicht so sein, noch nicht! Voll Schmerz und Groll antwortete ich meinen Schwestern:
»Meine Lieben alle!
Ja, es ist sicher schrecklich für Euch alle, daß der Maxl
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