Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Hausschuhe-Machen nicht auf. Wenn Geld aus Amerika kam, kaufte sie sich ausnahmsweise eine Halbe Bier. Um recht lang davon zu haben, schüttete sie es in einen Milchweigling, brockte Brot hinein und löffelte es mit großem Genuß langsam aus. Den Rest des Geldes gab sie meist der Theres.
Der Maurus schlug vor, ein junges Ferkel irgendwo einzuhandeln und es aufzumästen, dann habe man den ganzen Winter gutes Fleisch. Das freute die Mutter. Mit liebevollem Eifer versorgte sie die fettwerdende, heranwachsende Sau und griff sie jeden Tag ab. »Das gibt ein Kernfett«, war ihre Meinung. Sie hob jede Kartoffelschale auf, ging auf die abgeernteten Felder und sammelte mit der kleinen Annamarie liegengelassene Ähren, mengte alles mit sonstigen Speiseresten ineinander und kochte ein kräftiges Saufutter. Oft in der Nacht stand sie noch einmal auf und ging in den Holzschuppen, um nachzusehen, ob die Sau nicht gestohlen worden sei, denn die Not der Armen war groß, Einbrüche und Diebereien gab es nicht selten. Eine Weile blieb sie, über die Bretterplanke des viereckigen Stalles gebeugt, in der frischen Mondnacht stehen und schaute zufrieden auf die schnarchende, dick daliegende Sau. Dann drehte sie sich endlich um, schaute zum sternenübersäten Himmel empor, machte ein Kreuz und ging langsam wieder zu Bett. Ihre Frömmigkeit, von der sie nie ein Aufhebens machte, wirkte immer noch gleichermaßen als gelassene Lebenskraft in ihr. Vor zirka fünfundfünfzig Jahren, als sie noch ein Schulkind gewesen war, hatten ihre Eltern sie in die Erzbruderschaft »Maria zum Troste« aufnehmen lassen. Sie trug noch immer den dünnen ledernen Gürtel um den bloßen Leib und betete täglich die vorgeschriebenen zwölf Vaterunser. Sie verschwieg das alles, fast so als schämte sie sich, aber mit jener nüchternen, natürlichen Derbheit, die ihr eigen war, erledigte sie sich all ihrer religiösen Pflichten.
Ich besuchte sie öfter, und das schien ihr stets wohl zu tun.
»Mutter?« fragte ich einmal lächelnd, »jetzt sag mir doch einmal – du hast doch vor lauter Arbeit zu nichts Zeit, und wenn du dich hinsetzt, fallen dir die Augen zu – sag mir doch einmal, wann betest du denn eigentlich deine zwölf Vaterunser am Tag?«
Obgleich sie wußte, daß wir über ihren Glauben manchmal spöttelten, nahm sie das nie im geringsten übel. Sie lächelte und rief auf meine Frage erstaunt: »Tja, hm, jetzt du bist gut! … Ich hab’ doch einen guten Stuhlgang!« Ich begriff nicht, wieso ein guter Stuhlgang mit ihrer religiösen Vorschrift zusammenhängen konnte, aber sie kam mir zuvor.
»Wo will ich’s denn beten, die zwölf Vaterunser!« sagte sie, als wäre das das Selbstverständlichste von der Welt, »aufm Häusl halt! … Da hab’ ich doch am besten Zeit dazu!« –
Pius, der neue Mann von der Moni, war sehr schlecht auf unsere Mutter zu sprechen. In seinem verschlagenen Geiz wollte er ihr das gerichtlich festgelegte Ausgedinge streitig machen. Er gehörte zu jenem weitverbreiteten bäuerlichen Typ in unserer Heimat, der die Ansicht vertritt, ein »Austrägler« hätte eigentlich nicht mehr allzu viel zu suchen auf der Welt, und am besten wäre es, man würde ihn möglichst kurz halten, damit er bald abkratze. Es gab an jedem Monatsersten Reibereien, die sich schließlich so zuspitzten, daß Maurus an Mutters Stelle gegen ihn prozessierte. Er kam damals oft zu mir in die Stadt, und wir suchten einen Anwalt auf. Es gab mehrere Gerichtsverhandlungen. Wütend und verdrossen kehrte der Maurus stets nach Hause zurück und erzählte, daß noch nichts entschieden sei. Pius hatte es verstanden, durch allerhand Machinationen die Sache stets vertagen zu lassen und in die Länge zu ziehen. Unsere Mutter wurde von Mal zu Mal unruhiger und betrübter. Seit eh und je mißtraute sie ja allen Ämtern und Gerichten und erwartete nie etwas Gutes von ihnen. Am liebsten hätte sie auf alles Ausgedinge verzichtet, nur um die Feindseligkeiten und Streitigkeiten loszubekommen.
»Am besten wird’s sein, ich hau’ den Pius einmal recht durch! Den bringt bloß so was zur Vernunft!« stieß der Maurus einmal drohend heraus. Er war in seinem Jähzorn am Ende seiner Geduld und fürchtete keinen. Unsere Mutter erinnerte sich wahrscheinlich an die blutigen Schlägereien Maxls und wehrte sich heftig dagegen. Unglücklich und angstvoll flehte sie ihn an: »Laß doch das, um Gottes willen, bleiben! … Ich bin ein altes Weib, was brauch’ ich denn noch! … Der
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