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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Sippschaft hat das wieder angezettelt!« Böse funkelten seine Augen, als warteten sie auf einen Gegner. Aber niemand sagte ein Wort. –
    Kurz nachdem die Anna beim Eugen in Amerika angekommen war, schickte der dem Maurus und der Mutter empörte Briefe. Anna hatte ihm offenbar mein freies »Künstlerdasein« in München derart geschildert, daß er als der Älteste es für gut fand, dagegen einzuschreiten. Der ordentliche Mann, der sich nach harten Mühen in Amerika eine schöne Existenz geschaffen hatte, erging sich in wilden Ausbrüchen über mein »Luderleben«.
    »Hmhm, man merkt, wie weit er weg ist … Komisch, daß ein Mensch noch so weit in der Welt herumkommen darf und doch nicht anders wird«, meinte der Maurus und reichte mir den Brief. Ich las ihn mit glucksender innerer Belustigung.
    »Hm, der meint, du bist noch immer der Schulbub«, sagte unsere Mutter gelassen, »wir sollten dich nicht mehr zu uns reinlassen, schreibt er! Was sich der alles einbildet! … Ins Irrenhaus sollen wir dich tun, hmhm!« Sie sah, wie interessiert ich las, und glaubte wahrscheinlich, es würde mich verstimmen, was der Eugen da alles vorbrachte.
    »Ärgere dich nicht, Oskar! Das geniert uns gar nicht, was der schreibt!« versuchte sie zärtlich zu trösten. »Der tut jetzt auch schon wie der Maxl! Er möcht’ uns kommandieren!«
    Ich hob das Gesicht und lachte sie breit an.
    »Gell, mußt auch bloß lachen!« sagte sie erlöst.
    Als ich wieder nach München kam, schrieb ich dem Eugen einen langen spöttischen Brief, den er sehr übel nahm. Von dieser Zeit ab blieben wir Feinde. –

Schlechte Saat und bittere Ernte
    Die Dinge verwandeln sich stumm und unbemerkt vor deinen Augen. Du lebst mit ihnen, als gehörten sie zu dir. Du gehst tausendmal an ihnen vorüber, und es fällt dir nichts Besonderes auf. Einmal aber – du kannst nicht einmal sagen, warum – siehst du: Es ist vieles ganz, ganz anders geworden! Du wunderst dich, schaust deutlicher hin und erschrickst darüber, daß du solange an all dem vorbeigelebt hast.
    Sooft ich in all den bewegten Jahren des Krieges, der mißratenen Revolution und des schwelenden Bürgerkrieges in meinem Heimatdorf gewesen war, es hatte eigentlich immer so ausgesehen, als sei dieser Fleck ziemlich unberührt vom Zeitwandel geblieben. In Starnberg stieg ich aus dem Münchener Zug, ging zum Landungssteg und fuhr mit dem Dampfschiff über den See. Die auseinanderfallenden Wellen am Bug schäumten weiß. Die bewegte Wasserfläche lag graublau da. Ein grämlicher Nebel lastete auf ihr und verhüllte die umliegenden Ufer. Oder es war ein heller, heiterer Sommertag. Dann glänzte die spiegelglatte Wasserfläche blaugrün. Die ewig junge Sonne strahlte im hohen, klaren Himmel. Die saftgrünen Uferhänge mit den stillen Dörfern und den vielen Herrschaftssitzen lächelten friedlich, und in der Ferne zackten sich die leicht umdunsteten, blauen Berge.
    In Berg stieg ich aus dem Schiff. Da stand noch immer das klotzige, inzwischen etwas verwitterte »Grand Hotel am See« von Wolfgang Bock. Um die beiden Eheleute, die einst durch ihren kühnen Unternehmungsgeist und ihr sonderbares Gehaben den Angestellten gegenüber soviel Aufsehen und Unmut hervorgerufen hatten, war es still geworden. Während des Krieges war einmal der Verdacht aufgekommen, die Bocks seien Engländer. Einmal nachts wurden ihre Hotelfenster eingeworfen. Die Übeltäter konnten nicht ermittelt werden, aber im Starnberger ›Landund Seeboten‹ erschien daraufhin eine polizeiliche Erklärung, die besagte, daß Herr und Frau Bock aus Norddeutschland stammten, sehr gute Patrioten seien und eine erhebliche Summe als »Kriegsanleihe« gezeichnet hätten. Immerhin, der Stachel blieb, die Bocks wurden nie richtige Berger und jetzt, in der Inflationszeit, da die Bauern reich geworden waren, lieferte ihnen selbst zu den höchsten Preisen niemand Milch, Mehl, Butter, Eier oder Fleisch. Der Herr Bock mußte jeden Tag nach Starnberg oder gar nach München fahren, um das Notwendigste aufzubringen.
    Ich ging eine kurze Strecke am Ufer entlang, an der ehemaligen »Knecht-Villa« vorüber, beim Fischer Liedl vorbei, der einst dabeigewesen war, als man den König Ludwig II. aus dem See gezogen hatte. Noch immer kam sich der Liedl als gewichtige Persönlichkeit vor, denn – so verbreitete er stets – »das, was in derselbigen Nacht passiert ist, muß ich als Geheimnis ins Grab nehmen«. Es hieß, er habe als Schweigepreis vom damaligen

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