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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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überheblich.
    »Hoffentlich bin ich nicht mehr da, wenn’s dir einmal so geht wie ihm!« warf sie hin und wand ihre triefenden Strümpfe aus, »was hat er jetzt samt all seinem Tüfteln, der Kastenjakl? Nichts und wieder nichts! Ganz auf’m Hund ist er! Ganz und gar!« Der Maxl wollte nichts wissen von all dem, doch seine Schwester fühlte offenbar, daß sie ihn damit ärgern konnte und erzählte mit hämischer Gleichgültigkeit: »Er muß sich mit seinem Hausherrn verkracht haben. Er haust jetzt in seinem Bau, der Kastenjakl! Die Maurer arbeiten auch schon wieder einmal eine Woch’ lang nicht mehr. Sagen tut man, er kann nicht mehr weiter, der Kastenjakl, er ist bankrott. Sehen läßt er sich überhaupt nicht mehr!«
    »Jetzt hat er nichts wie Spott und Schand’, weil er ewig so hoch hinaus hat wollen!« brummte die alte Stellmacherin. Es klang mitleidlos und ungut. – Daß der Kastenjakl schon lange ein ruinierter Mann war, wußte der Maxl. Nur, daß er in seinem halbfertigen Bau wohnte, war ihm neu. Man brauchte keine allzu große Einbildungskraft, um sich das verwüstete Leben des Kastenjakls vorzustellen. Den Maxl ergriff eine unbestimmte Rührung, die man von seinem Gesicht ablesen konnte. In diese Rührung aber mischte sich irgendein robustes Gefühl eigener Selbstbehauptung, Ärger über die Schadenfreude der Stasl rumorte in ihm, und auf einmal wurde er jähzornig.
    »Ja!« knurrte er und schaute giftig auf seine Schwester, »ich bin auch froh, wenn du endlich beim Teufel bist!« Aufgestanden war er und hatte allem Anschein nach noch viel auf der Zunge.
    »Mistweiber, elendige!« stieß er aus sich heraus, ging an die Tür, riß sie auf und schlug sie krachend hinter sich zu.
    »So ist er!« sagte die Stasl sichtlich zufrieden, »die Wahrheit hört er nicht gern.«
    »Jetzt lauft er wieder davon und sauft wieder!« sagte die Stellmacherin trübselig und brummte die Stasl an: »Du kannst ja dein Maul nie halten! Ewig mußt du streiten!«
    »Ich halt’ ihn nicht auf! Ich bin froh, wenn er uns allein läßt!« meinte die Stasl ungetroffen und kalt. Bald darauf flog auch die Haustüre krachend zu, so fest, daß die Fensterscheiben leicht erzitterten. Als undeutlichen Schatten sahen die Zurückgebliebenen den Maxl geschwind vorübergehen. Er ging Leoni zu, suchte aber den Kastenjakl nicht auf. Mit eingezogenem Kopf und hochgeschlagenem Mantelkragen trottete er auf der eingeweichten Straße dahin, und als er weit außerhalb des Dorfes war, blieb er hin und wieder stehen, schnaubte und schaute in die regenverhängte Luft. Er schien nicht recht zu wissen, wohin er seinen Ärger und Zorn tragen sollte. In Aufkirchen läuteten die Glocken. Es fiel ihm von ungefähr ein, daß die Bauern die paar Regentage dazu benutzten, um Bittgänge ins Pfarrdorf zu machen. Am Anfang des Leoniger Berges, wo die Straße steil hinabfällt zum Uferort, drehte er sich unmutig um, ging wieder zurück bis zur Berger Dorfgrenze und schlug die Richtung nach Aufkirchen ein. Ziemlich durchnäßt kam er in der überfüllten Klostermaierschen Wirtsstube an, in welcher die Allmannshauser, die Siebichhauser und ein paar Leoniger Wallfahrer beisammensaßen, Bier tranken, frische Weißwürste aßen und mitunter sogar ein Mittagessen bestellten. So ein Bittgang nämlich galt für viele als Feiertag, an dem man sich derartige kulinarische Genüsse gönnen durfte. Bauern und Weiber grüßten den Maxl flüchtig, der Daiser-Hans machte Platz, und nachdem der Maxl seinen nassen Mantel und Hut an die Wand gehängt hatte, setzte er sich neben ihn. »Willst uns jetzt du beim Beten helfen oder bist du bloß zum Fressen ’kommen«, sagte der Daiser-Hans in seiner lauten, schimpfenden Art, und die meisten lachten darüber. Der Maxl bekam sogleich sein aufgewecktes Wirtshausgesicht.
    »Ich verrichte mein gottgefälliges Gebet im stillen Kämmerlein!« sagte der Maxl mit aufdringlich sonorer Würde und setzte herausfordernd spöttisch hinzu: »Aber fressen und saufen? Das müssen bei mir die Leut’ sehen, damit sie wissen, daß ich mir so was leisten kann!« Im Nu war man im heitersten Wortgeplänkel. Die Leute unterhielten sich gut dabei und vergaßen sehr schnell den frommen Zweck, der sie hierhergeführt hatte. Der Klostermaier mußte sehr oft neu einschenken, und als die Glocken die Wallfahrer in die Kirche zurückriefen, standen die Bauern schnell auf und leerten ihren Krug in einem einzigen gewaltigen Zug. Die Augen preßte es ihnen dabei heraus.

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