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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Schmalzer-Hans ins Bäckerhaus. Er war allem Anschein nach nicht ganz nüchtern. Sonderbarerweise aber machte er eine grämliche Miene, als er kopfschüttelnd erzählte: »Hm, man kennt sich nicht aus mit unserem König! Jetzt ist er wieder grantig und sperrt sich ein. Komisch, einen künstlichen Mond hat er in sein Schlafzimmer hängen lassen. Ich weiß nicht, ist das Ding aus Gold oder aus Messing. Er geht auch kaum mehr aus seinem Schlafzimmer, der König. Liegen bleibt er oft bis zum Mittagläuten und länger. Er mag die Helligkeit nicht mehr. Die ganze Zeit müssen die Vorhänge zugezogen sein … Hmhm, und wie die Zarin dagewesen ist, da ist er ganz lustig gewesen. Der Hans versteht das nicht mehr! Kein Mensch versteht’s! Der Leibdiener Weber sagt, rein zum Fürchten ist die Majestät jetzt …« Er blickte nachdenkend vor sich hin.
    »Gesagt wird, er verschleudert das ganze Geld vom Staat. Beim Strauch in Leoni haben die Fremden darüber geredet, daß er uns alle ruiniert«, meinte die Kathl, doch der Schmalzer-Hans machte eine abwehrende Handbewegung und brummte: »Ah! Ruinieren! So ein Unsinn! Bei uns profitiert doch jeder von ihm. Unser König ist schon der rechte! Er läßt das Geld unter die Leute kommen. Er ist ein grundguter Mensch, das muß jeder zugeben.«
    Der König baute seit langem an seinem Schloß »Herrenchiemsee« und wollte damit selbst die Pracht von Versailles überbieten. Es wurde getuschelt, daß er dadurch in harte Geldverlegenheiten gekommen sei, denn der Bau verschlinge Millionensummen. –
    Der Starnberger Doktor tauchte im Türrahmen auf, und die Kathl führte ihn zum kranken Maxl hinauf. Der Lorenz, der heute wieder zur Arbeit zu Rambeck gegangen war, hatte ihn bestellt.
    »Geh weiter«, sagte der Schmalzer-Hans zum Voshank, als sie allein in der Stube waren, »hol das Roßgeschirr bei mir! Ich bin mit dem Maxl handelseins geworden. Und der Wiesmaier läßt sagen, sein Wägerl kann er jederzeit abholen.« Die zwei gingen.
    Nach der Untersuchung blickte der Doktor ernst durch seine scharfen Brillengläser, fuhr mit seinen weißen, langfingerigen Händen durch seinen dichten Vollbart und sagte: »Tja, Herr Graf, sterben werden Sie nicht dran, aber wenn Sie nicht liegenbleiben wollen, garantiere ich für nichts. Wenn Sie weiter rackern, kann Ihnen was fürs ganze Leben bleiben.« Er schrieb ein Rezept für ein Medikament, das der Lorenz abends mitbringen sollte.
    »Mein Gott, Herr Doktor!« keuchte der Maxl trübselig, »liegenbleiben? Das geht doch nicht.«
    »Ich sag’ ihnen nur, wie’s steht mit Ihnen«, sagte der Doktor kurz und schaute auf das abgemagerte, schweißnasse Gesicht des Kranken. »Wenn Sie es besser verstehen, bitte! Liegenbleiben und gut essen müssen Sie. Ihr Geschäft geht doch glänzend. Nehmen Sie doch einen Gesellen.«
    »Hm, jaja, glänzend! Das schaut bloß so aus, Herr Doktor!« lächelte der Maxl müde, aber es schien ihm doch wohl zu tun, daß er ein solches Ansehen genoß. –
    Als der Doktor gegangen war, überlegte er lange. Er nagte an seinen Lippen und sah sekundenlang ins Leere.
    Nachdem die Kathl wieder gekommen war, richtete er sich im Bett auf und sagte: »Gib mir ein Briefpapier und das Tintenzeug.« Die Kathl tat es. »Es bleibt nichts anderes übrig«, sagte der Maxl und schrieb an den Irlinger einen langen Brief, in welchem er diesen dringend bat, er sollte zur Bäckerherberge in München gehen und ihm einen stellungslosen Bäckergesellen schicken. Gleich mußte die Kathl den Brief zum Wiesmaier aufs Postamt tragen.
    Nach drei langen, schrecklichen Tagen – der Kranke hatte sich in jeder Nacht aufgerafft und, unterstützt von Stasl und Voshank, gebacken – kam der Irlinger endlich mit einem fremden, mittelgroßen, gedrungen gebauten Menschen, der eine rote Säufernase und einen braunen Schnurrbart hatte. Er mochte ungefähr fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt sein, zeigte ausgezeichnete Zeugnisse und sagte etwas überheblich: »Na ja, ich bin größere Plätze gewöhnt … Aushilfsweise geht’s ja, Herr Bäckermeister.«
    Der im Bett sitzende Maxl wurde gereizt, doch er hielt sich zurück. Und da der Irlinger vorgab, den Gesellen schon lange zu kennen, wurde man einig.
    »Stasl, zeig’ dem Herrn Schießl seine Kammer«, sagte der Maxl. Man hatte das Kämmerchen vom Lorenz hergerichtet. Der Bruder mußte beim Zwerg schlafen. Als die Stasl und der Geselle draußen waren, rühmte der Irlinger den Schießl als »prima-primissima«

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