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Das lebendige Theorem (German Edition)

Das lebendige Theorem (German Edition)

Titel: Das lebendige Theorem (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cédric Villani
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scheint überzeugend zu sein.

– Dann glaube ich auch die Stellen identifiziert zu haben, wo man bei den Charakteristiken und der Streuung Verluste hat. Wir werden alle Rechnungen in diesem Abschnitt noch einmal machen müssen, das hört sich ziemlich grauenhaft an … Ich habe ein paar Kommentare in einen Unterabschnitt am Ende dieses Abschnitts geschrieben.

Damit, glaube ich, haben wir alle Bestandteile, um den Nash-Moser zu füttern. Morgen, am Donnerstag, bin ich nicht da. Hier ist der Plan, den ich für das weitere Vorgehen vorschlage: Ich kümmere mich noch einmal um den Abschnitt 6 mit dem subexponentiellen Wachstum, und währenddessen stürzt du dich auf die Schätzungen der Streuung, die nicht so unerfreulich sind. Als Ziel nehmen wir uns vor, Anfang nächster Woche alles außer dem letzten Abschnitt überarbeitet zu haben. Geht das?

Herzliche Grüße
Cedric

Kapitel 15
    Rutgers, 29. Januar 2009
    Heute ist der so sehr gefürchtete Tag. Ich bin ans Seminar für statistische Physik der Rutgers-Universität eingeladen, die etwa dreißig Kilometer von Princeton entfernt ist. Eric Carlen und Joel Lebowitz, die beide in Princeton wohnen und in Rutgers arbeiten, begleiten mich im Auto.
    Es ist mein zweiter Trip nach Rutgers; das erste Mal war es wegen einer Tagung zum Gedenken an Kruskal, den Erfinder der Solitonen, ein großer Geist. Die lustigen Anekdoten, die die Redner berichteten, sind in meinen Gedanken immer noch lebendig – Kruskal diskutiert im Aufzug mit zwei Kollegen, wobei alle dermaßen in das Gespräch vertieft sind, dass sie zwanzig Minuten dort verharren, während andere Leute ein- und aussteigen und der Aufzug hoch- und runterfährt.
    Aber heute ist es weniger lustig. Ich stehe unter Spannung!
    Üblicherweise erzählt man in einem Forschungsvortrag (in einem »Seminar«) etwas, das man sorgfältig überprüft und wiederholt hat. Das habe ich bis jetzt auch immer so gemacht. Aber heute ist das nicht der Fall: Die Arbeit, die ich vorstellen werde, ist nicht ausgefeilt, und der Beweis ist nicht einmal vollständig.
    Gestern Abend habe ich mich zwar davon überzeugt, dass alles gut laufen, dass es genügen würde, den Schluss hinzuschreiben. Aber heute Morgen kehrten die Zweifel zurück. Bevor sie sich wieder zerstreut haben. Auch im Auto denke ich noch daran.
    Während meines Vortrags bin ich aufrichtig davon überzeugt, dass alles gut läuft. Autosuggestion? Ich gehe zwar nicht sehr stark in die mathematischen Details, hebe jedoch die Bedeutung des Problems und seine physikalische Interpretation hervor. Ich führe die famose Norm vor, deren Komplexität die Zuhörer zum Schaudern bringt. Und doch begnüge ich mich damit, die Variante mit fünf Indizes zu präsentieren, und nicht die mit sieben …
    Nach dem Vortrag sitzen wir etwa zu zehnt zusammen am Mittagstisch, die Gespräche kommen gut voran. In der Zuhörerschaft gerade eben war ein großer Kobold mit leuchtenden, sprühenden Augen: Michael Kiessling; jetzt erzählt er mir mit ansteckender Begeisterung von seinen Jugendlieben zur Plasmaphysik, zur Abschirmung, zum Plasma-Echo, zur quasilinearen Theorie …

Michael Kiessling
    Das Plasma-Echo weckt meine ganze Aufmerksamkeit. Was für ein schönes Experiment! Man bereitet ein Plasma vor, d.h. ein Gas, in dem man die Elektronen von den Kernen getrennt hat; man bereitet es im Ruhezustand vor, und zu Beginn des Experiments stört man diesen Ruhezustand, indem man kurz ein elektrisches Feld, einen »Stromstoß«, anlegt. Anschließend wartet man darauf, dass der so erzeugte Strom allmählich wieder verschwindet, dann legt man ein zweites Feld an. Man wartet wieder, dass auch das allmählich verschwindet, und hier taucht das Wunder auf: Wenn die beiden Impulse richtig gewählt sind, beobachtet man in einem bestimmten Moment eine spontane Reaktion, die man Echo nennt …
    Merkwürdig, nicht wahr? Man stößt im Plasma einen (elektrischen) Schrei aus, dann einen zweiten Schrei (in einer anderen Tonhöhe), und ein wenig später antwortet das Plasma (wieder in einer anderen Tonhöhe!).
    All das erinnert mich an die Rechnungen, die ich vor ein paar Tagen durchgeführt habe: eine Resonanz in der Zeit … mein Plasma, das zu ganz bestimmten Zeitpunkten reagierte … ich glaubte, den Verstand verloren zu haben, aber vielleicht ist das dasselbe wie dieses Echophänomen, das in der Plasmaphysik wohlbekannt ist?
    Darum werde ich mich später kümmern, im Augenblick diskutiere ich mit den hiesigen

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