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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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über sie, aber vor ein paar Wochen war Mark mit einer geplatzten Augenbraue zur Isar gekommen. Er hatte sie mit einem Pflaster verdeckt und wollte nicht darüber reden. Aber Frieder insistierte. Mark sagte, es sei im Stachus passiert, als er weglaufen musste vor einem verrückten Freier und gestolpert wäre. Eine Geschichte, die Frieder nicht glaubte, und Mark gab kleinlaut zu, dass es die Handschrift seines Vaters wäre. Mehr sagte er nicht dazu.
    Frieder hörte eine tiefe Stimme im Hintergrund, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagte. Dann Geräusche, die aus einer Küche zu kommen schienen, das laute Zuklappen eines Schrankes, Klirren von Glas. Mark sagte „Das stimmt nicht. Echt nicht.“ zu dieser Stimme. Dann sprach der Junge wieder in die Muschel, mit einer veränderten Stimme: „Ruf halt an, wenn ihr ins Stadion geht. Weiß noch nicht, ob ich mitfahre. Ciao.“ Und legte sofort auf. Frieder hielt den Hörer noch eine kurze Zeit in der Hand. Ein Gefühl der Niedergeschlagenheit kroch in ihm hoch, aus irgendeinem fernen Punkt in ihm selbst, fern und doch in einer deprimierenden Weise unkontrollierbar. Er stieg in den Volvo, schaltete das Handy ein – keine Anrufregistrierung, keine Änderung der Einkäufe – und nahm die Liste in die Hand. Und staunte wieder über ihre perfekte Architektur, die einzelnen Artikel in Blöcken zusammengefasst (Reinigungsmittel, Kühltheke, Konserven …), in ihrer Abfolge dem Weg durch die Gänge des Supermarkts entsprechend. Er drehte den Zündschlüssel um und schaltete das Radio an, mitten hinein in einen Klassiker von John Denver: „Country roads take me home to the place where I belong.“ Leise summte Frieder die Melodie.
     
    „Habt ihr Hausaufgaben aufbekommen?“
    Svenja schaute an Frieder vorbei auf den Fernseher. Sie hatte wegen des Mittagessens ausschalten müssen und fixierte den schwarzen Bildschirm, als könnte sie dennoch die Wellen aufnehmen und in ihrem Kopf als Bilder decodieren.
    „Deutsch und HSK. Aber nicht viel.“
    „HSK? Handarbeit, Staubsaugen, Kochen?“, fragte Frieder.
    „Papa! Hei-mat- und Sach-kun-de!“ Svenja legte ihre Zeigefinger an die Schläfen und betonte jede Silbe. Frieder kannte die korrekte Auflösung, aber seine Tochter hatte bereits ihren Teller mit Kroketten, Salat und frittiertem Hühnerfilet aufgegessen, und er versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln – um ihrer Frage zuvorzukommen, ob sie vom Tisch aufstehen und weiter Fernsehen gucken könne.
    „Hat Mama sie korrigiert?“
    „War alles richtig.“
    „Gab es bei uns eigentlich schon das Fach?“, fragte Daria, die Frieders Absicht erkannte.
    „Wahrscheinlich schon.“ Frieder nahm noch etwas Fleisch und Kroketten, obwohl er die Enttäuschung unterdrücken musste, dass Daria wieder einmal auf Tiefkühlprodukte zurückgegriffen hatte. „Irgendwie gab es alles schon einmal. Es hieß nur anders. Aber ich habe kaum Erinnerungen an meine Grundschuljahre. Ich sehe mich mit vielleicht fünfhundert Kindern in einem Raum sitzen und Buchstaben auf eine Schiefertafel malen. Ja, ganz am Anfang hatten wir eine richtige kleine Tafel mit Schwamm. Es kommt mir so vor, als hätte ich vier Jahre nichts anderes getan als Schreiben geübt.“
    „Fünfhundert. In einem Klassenzimmer. Klar doch“, sagte Svenja.
    „Mindestens. Wenn wir mit der Schule einmal im Jahr einen Ausflug in den Tierpark machten, war unsere Schlange so lang, dass die Ersten schon wieder draußen waren, während die Letzten noch in Zweierreihen am Kassenhäuschen standen.“
    Svenja legte den Kopf schräg und zog ihre geschlossenen Lippen wie ein Clown in die Breite. Eine Mimik, die sie seit einigen Wochen bei Witzeleien von minderer Qualität einsetzte.
    „Was die Unterrichtsfächer in der Grundschule angeht“, sagte Daria, zu ihrem Mann gewandt, „kannst du heute Abend Peter und Heide fragen. Georg hat für heute Abend zum Nachbarschaftsgrillen eingeladen.“
    Peter und Heide waren Grundschullehrer, die nur auf einer halben Stelle arbeiteten, weil sie mehr Zeit für ihre beiden Kinder haben wollten. Der Junge ging in die vierte, das Mädchen in die erste Klasse. Sie wohnten am Anfang der Karolinenstraße, wo die Rasenflächen noch rechteckig und größer waren als bei den Häusern um den Spielplatz herum. Heide wurde von den anderen „Heide ungesüßt“ genannt, weil sie keinen Industriezucker in ihrem Haus duldete. Im Sommer brachte sie den Kindern ungesüßten Früchtetee auf den Spielplatz,

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