Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
„Vielleicht werde ich langsam alt, aber ich brauche einfach die Momente, in denen man die Welt mal ausknipsen kann.“
Peter öffnete einen ledernen Tabaksbeutel. Er rauchte nur noch selten, und noch seltener leisteten sich er und Heide eine Selbstgedrehte mit Hanfeinlage vor dem Kamin in ihrem Wohnzimmer.
„Wir haben ein wahnsinniges Glück mit unseren Häusern“, sagte er. „Die neuen Wohnanlagen hinter der Magdalenenstraße sind die klassischen Reißbrettanlagen der großen Bauträgergesellschaften. Maximale Ausnutzung der Bodenfläche, Grundrisse nach Standard A, B oder C, eine Tiefgarage darunter und einen Spielplatz und acht Bäume im Rechteck darüber. Deshalb wollten Heide und ich unbedingt hier wohnen.“
„In letzter Zeit denke ich häufiger daran“, sagte Frieder, „dass ich ohne meinen Vater hier niemals leben könnte. Entweder müsste Daria sich einen festen Job suchen, oder wir würden in drei Zimmern zur Miete wohnen und im Sommer zwei Wochen mit Neckermann verreisen.“
Peter schickte Rauchkringel in die Luft, die auf Frieder zuwehten und sich langsam in Schlieren auflösten. Beim Joggen am Nachmittag war Frieder an Peters Elternhaus vorbeigelaufen. Peters Vater war ein kleiner städtischer Angestellter, der in den fünfziger Jahren in den Siedlungen an der Isar zwei Grundstücke gekauft hatte. Der Boden kostete damals nur ein paar Pfennige; die Häuser in den Siedlungen waren in Eigenregie gebaut, mit einfachsten Materialien, klein, mit schmalen Fenstern, wie geduckt wirkend. Nur die Grundstücke waren vergleichsweise riesig, man hätte einen Tennisplatz in den Rasen vor und hinter dem Häuschen anlegen können.
„Für Heide und mich war es eine Grundsatzentscheidung.“ Peter sprach so langsam, als könnte jeder der folgenden Sätze auch gegen ihn verwendet werden. Er drückte die Zigarette auf einem Bierdeckel aus. „Unsere Kinder sind das Wichtigste in unserem Leben, und wir finden es nur folgerichtig, dass wir dem Wichtigsten so viel Zeit wie möglich widmen. Also teilen Heide und ich eine ganze Lehrerstelle. Nicht der Beruf ist meine Berufung, sondern das Elternsein.“
„Was ich vorhin meinte, war …“
„Stopp!“ Peter streckte beide Zeigefinger senkrecht nach oben und machte eine kurze Pause, wie ein Lehrer, der zur Quintessenz vorstößt und höchste Konzentration bei seinen Schülern einfordert. „Ich weiß genau, was du jetzt sagen willst. Die Entscheidung gegen den Beruf und für meine Kinder konnte ich nur fällen, weil mein Vater das zweite Grundstück verkauft hat. Er hätte es wohl lieber gesehen, wenn ich dort gebaut und nicht hier gekauft hätte, aber das ist ein anderes Kapitel. Ich habe jedenfalls kein schlechtes Gewissen, mein Erbe so einzusetzen, wie ich es tue. Andere kaufen sich eine Yacht oder eine Finca in Spanien, ich kaufe mir Zeit für meine Familie.“
Frieder fühlte die Schwere des Alkohols. Er hatte zwar langsam, aber zu viel getrunken – für seine Verhältnisse. Das Bier schien sich in Blei verwandelt zu haben und in seine Gehirnzellen zu strömen. Er schaute hoch zum Badezimmer seines Hauses, in dem das Licht, wie auch unten im Wohnzimmer, erloschen war. Er stellte sich vor, in welcher Position Daria liegen würde, wenn er später ins Schlafzimmer kam. Dann fiel ihm plötzlich Marc ein, dessen merkwürdig aggressive Stimmung heute Morgen am Telefon, die sicher mit der Anwesenheit seines Vaters zu tun hatte und die ihn dennoch verletzt und verunsichert hatte.
Georg hatte das Gespräch mit geschlossenen Augen, den Kopf in den Nacken gelegt, verfolgt. Frieder hatte den Eindruck, dass Georgs Adamsapfel enorm war, wie eigentlich alles an ihm. Obwohl Georg nicht groß war, wirkte er so, gleichsam durch seine Einzelteile, den mächtigen Brustkorb, die kräftigen Unterarme und gedrungenen Beinen. Eine lange Operationsnarbe an seinem rechten Bein, eine Meniskusoperation vor vielen Jahren, schimmerte rötlich im Abendlicht.
„Ich bin gar nicht so weit weg von Peter“, sagte Georg und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Von dem Neubaugebiet da draußen haben meinem Vater ein paar Hektar gehört. Die Bagger schaufeln die Erde aus dem Boden und laden Geldscheine auf seinem Konto ab.“
Er machte eine Pause und zupfte mit der rechten Hand ein paar Grashalme aus dem Boden. „Mein älterer Bruder hat die Landwirtschaftsschule besucht, ich bin Techniker geworden, damit ich die Maschinen warten und reparieren kann. Aber seit über zehn Jahren
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