Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
bastele ich an Computern rum, weil es mir Spaß macht. Im Geschäft eines Spezis aus der Schule, nur so viel ich gerade Lust habe. Man könnte sagen: Ich habe ein Hobby, für das ich bezahlt werde.“
„Ich weiß nicht“, sagte Frieder leise. Der Alkohol und die Müdigkeit gaben ihm das Gefühl, jedes seiner Worte wie eine vollbeladene Lore aus seinem Mund ziehen zu müssen. „Ich fühle mich irgendwie … subventioniert. Als würde das alles nicht wirklich zu mir gehören.“
In diesem Moment erschien Annemarie auf der Terrasse. Sie legte den Zeigefinger auf die leicht gespitzten Lippen, und Frieder wurde bewusst, dass er wie alle Betrunkenen besonders laut geredet hatte bei dem Versuch, besonders leise zu sein.
Annemarie stellte sich hinter den Stuhl ihres Mannes und schob die Hände unter Georgs T-Shirt.
„Schläft der Bub?“, fragte Georg und hob den Kopf.
Sie nickte und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Ja. Das Leben“, sagte Georg und grinste plötzlich, „das Leben wäre leichter, wenn es nicht gar so leicht wäre.“
Feiner Regen nähte sich seit über zwei Stunden ans Fenster. Nach dem sonnigen Grillwochenende beherrschten die Grautöne wieder das Wetter. Svenja war in einem dicken Sweatshirt und Regenjacke in die Schule gegangen.
Daria saß am Schreibtisch und zählte Regenfäden. Zuerst wollte sie diejenigen zählen, die innerhalb einer Minute gegen einen bestimmten Teil des Fensters in ihrem Arbeitszimmer fielen, aber es waren zu viele, und so beschränkte sie sich auf einen etwa handbreiten Streifen. Während des Zählens spürte sie den Geschmack ihres obligatorischen Morgensherrys auf der Zunge. Sie war bei 48 angelangt, als sich der Bildschirmschoner ihres PCs einschaltete und grellfarbige Fische hin und her schwammen und Luftblasen ausstießen, die langsam nach oben stiegen.
Sie drückte die Shifttaste, und das azurblaue Meer wurde weiß, und die bunten Fische verwandelten sich in schwarze Buchstaben, die Daria an diesem Vormittag noch um sehr viele erweitern musste. So schien es ihr zumindest, denn eigentlich waren es nur zwei Seiten Text eines ambitionierten Münchner Designstudios, dessen Internetseiten ins Französische zu übersetzen waren. Daria hatte in den letzten beiden Wochen bereits die Homepage und einige Produktbeschreibungen übersetzt, sie war also vertraut mit dem Vokabular und der Diktion, die Gegenstände des täglichen Lebens mit einem poetischen Glanzlack überzog.
Um sich zu motivieren, dachte sie an das Geld, das sie für die Arbeit bekommen würde. Frieder hatte ihr vorgeschlagen, ein besonderes Sparbuch einzurichten. (Annette, die Leiterin des Übersetzungsbüros und Darias Freundin seit vielen Jahren, brachte das Geld einfach in bar vorbei. Offiziell tauchte Daria für die meisten Projekte gar nicht als Mitarbeiterin auf.) Aber wozu ein Sparbuch nur für ihren eigenen Bedarf, wenn sich ihre Sonderwünsche wie ein Opernbesuch in Verona oder ein Wellnesswochenende in einem Vier-Sterne-Hotel aus dem normalen Etat finanzieren ließen? Peter und Heide zum Beispiel verdienten gleich viel, aber sie hatten neben einem gemeinsamen Konto gleich mehrere individuelle, für Kleidung, Hobbys und Einzelkurzurlaube alle zwei Jahre. Die Gleichberechtigung als Überwachungsstaat – Daria schauderte bei dem Gedanken, und so ließ sie ihr Honorar spurlos versickern in den Alltagsausgaben.
Sie hatte gerade einem vierteiligen, faltbaren Paravent in wahlweise schwarzer, weißer oder chinaroter Lochblechfüllung zu seiner französischen Identität verholfen, als eine E-Mail eintraf. Sie kam von Georg. Die Betreffzeile war nicht ausgefüllt; das war in den wenigen Mails, die er bisher geschickt hatte, immer so gewesen. Daria beschloss, sie jetzt nicht zu öffnen. Beim Grillabend war sie zuerst erstaunt, dann ein wenig erbost darüber, dass er sie vor allen anderen bat, mit ihm Johannes’ Zimmer aufzuräumen. Seine Hände hatten ihre gesucht, beim Zusammenlegen des Lakens, dem Aufeinanderstapeln des Pappgeschirrs. Aber er hatte nichts gesagt; sie war nach ihm hineingegangen und hatte die Tür halb offen gelassen.
Daria widmete sich wieder den Aschenbechern, hypermodernen Kleiderständern und Zeitungsablagen. Warum schien nur das Design für Büroeinrichtungen dem für den privaten Lebensbereich um mindestens zwanzig Jahre voraus? Als ob es nicht für dieselben Menschen geschaffen wäre. Daria versuchte sich zu konzentrieren, aber die automatische Rechtschreibprüfung
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