Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
Teppich schlafen.“
Daria hoffte, dass ihre Tochter bald herunterkommen würde, um selbst die Initiative ergreifen zu können, aber vermutlich hatten die Kinder sich diese kombinierte Strategie – erst die Zwillinge, dann Lara, die Älteste und Selbstsicherste – vorher zurechtgelegt.
„Hört mal“, sagte Annemarie und ging zu den Zwillingen, „zu fünft in Johannes’ Zimmer, ohne jede Vorbereitung – das ist mir einfach zu viel. Aber im Sommer dürft ihr einmal alle bei uns im Garten im Zelt schlafen. Einverstanden?“
Nun kamen auch Johannes und Svenja herunter; sie hatten am Treppenabsatz die Diskussion verfolgt. Die Zwillinge gähnten, Lara kuschelte sich an ihre Mutter, als wäre sie erleichtert, doch zu Hause schlafen zu können. Georg nutzte den Moment und sagte: „Die Kinder sehen geschafft aus. Ich gehe nach oben und bringe Johannes’ Zimmer kurz in Ordnung, und die Kinder können hier bei uns noch einen Saft trinken. Daria, hast du Lust, mir zu helfen?“
Daria wich seinem Blick aus: „Natürlich.“
Heide kümmerte sich um die Zwillinge, während Frieder, Peter und Annemarie die Salatschüsseln und das Geschirr von draußen in die Küche trugen. Hartmut schlief weiter, sein Atem ging in unregelmäßigen Abständen in ein leichtes Röcheln über. Er hatte die Hände über seinem Bauch gefaltet, der Kopf ruhte auf der rechten Schulter. Veronika hatte ihm die Brille abgenommen und auf den Tisch gelegt.
Nach einigen Minuten – Frieder fragte sich, wie viel es in Johannes’ Zimmer zu tun geben könnte, zumal sie unten bereits fertig waren, also auch den Essenstisch abgeräumt hatten – erschienen Georg und Daria wieder im Wohnzimmer. Daria balancierte einen Turm aus Tellern und Pappbechern, Georg trug das zusammengeknüllte Laken und drei leere Saftflaschen.
„Aber der Hartmut darf schon auf einer Luftmatratze beim Johannes schlafen“, sagte Georg und grinste.
„Er schnarcht fürchterlich, wenn er zu tief ins Weißbierglas geschaut hat“, sagte Veronika. „Ich lade ihn auf seiner Couch im Keller ab. Lara darf bei mir im Bett schlafen.“
Georg lud Frieder und Peter ein, im Garten noch ein letztes Bier zu trinken, während die Frauen die Kinder ins Bett brachten.
„Nichts dagegen“, sagte Daria und zeigte auf das Kabel, „und Peter könnte das 20. Jahrhundert wieder in Johannes’ Zimmer installieren.“
Veronika brauchte mehrere Anläufe, um ihren Mann zu wecken. Er stützte sich auf ihre Schulter und winkte in einer windmühlenartig weiten Bewegung allen zu. In der Diele deklinierte er, gleichermaßen undeutlich und laut: „ Peter und Heide. Peter und Heide in der Heide. Peter auf der Heide in der Heide. Oder Heide auf Peter in der Heide.“
Es war immer noch mild draußen und absolut windstill. In der anbrechenden Dunkelheit sah der transportable, pechschwarze Grill aus wie ein bizarres, überdimensionales Insekt aus einem Horrorfilm. Von einem der Hochhäuser wehten Stimmen herüber, vermutlich die eines Mädchens und eines Jungen. Dann ein Lachen des Mädchens, herausfordernd und zugleich frotzelnd, gefolgt von eiligen Schritten, Kreischen und einem erneuten Lachen, wie das Vorspiel zu Küssen in Kellerabgängen und dunklen Winkeln, die von keiner Beleuchtung erreicht wurden.
Frieder und Peter griffen sich jeder einen Gartenstuhl aus Plastik, die übereinandergestapelt unter der überdachten Terrasse standen. Georg saß bereits im Garten, zu seinen Füßen ein halbvoller Kasten Bier. Drei Weißbiergläser, eine Packung Chips und eine Tüte Salzstangen steckten in den Waben neben den Flaschen.
Frieder postierte seinen Stuhl so, dass er auf sein Haus blicken konnte. Der Ersteigentümer hatte eine Hecke auf die Grenze zwischen den beiden Rasenflächen gepflanzt, die mittlerweile auf gut anderthalb Meter gewachsen war und so dicht, dass man nicht durch sie hindurchgehen konnte. Aber sie ließ eine Lücke an der Garagenmauer, die Svenja und Johannes als Passierweg nutzten.
Frieder sah, wie im Zimmer seiner Tochter im ersten Stock das Licht anging und Augenblicke später die Jalousien heruntergelassen wurden. Auch im Badezimmer brannte noch Licht. Vielleicht nahm Daria gerade ein paar hastige Züge aus der Zigarette, während Svenja ihre Gutenachtgeschichte las. Im Wissen, dass Frieder vom Garten aus ihre Rauchzeichen sehen würde, hielt sie vermutlich das Fenster geschlossen.
„Auf dein Spezielles, Nachbar“, sagte Georg und reichte Frieder ein Glas Weißbier.
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