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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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in schnellen, abgehackten Bewegungen und beugte sich mit dem Oberkörper nach vorne, wenn sie die Gabel zum Mund führte. Beim Kauen bewegte sich das schmale, schwarze Halsband, das vorne mit einer silbernen Brosche besetzt war. Sie hatte sich auch bei Annemaries Kartoffelsalat bedient (den sie ihrem Mann vorenthalten hatte) und aß ihre Portion ganz auf, noch bevor sie sich dem Fleisch und dem grünen Salat mit Radieschen und Cherrytomaten widmete.
    Peter kam die Treppe herunter, bediente sich am Büfett und setzte sich zwischen Frieder und Annemarie. Rechts neben seinen Teller legte er ein sauber zusammengerolltes, weißes Kabel.
    „Was ist denn das?“, fragte Daria.
    „Das ist die ehemalige Verbindung zwischen dem Fernseher und der Steckdose.“
    „Bitte?“
    Peter trank einen Schluck Wein. Er hatte eine der beiden Flaschen aufgemacht, die Daria und Frieder mitgebracht hatten.
    „Die Fernbedienung lag auf dem Teppich, direkt neben Franklin und Skye.“
    „Aber der Fernseher war doch aus, als ich hochkam“, sagte Annemarie.
    „Die Twins sind zwar erst fünf, aber natürlich würden sie auch eine fremde Fernbedienung aktivieren können.“
    Veronika legte ihr Besteck geräuschvoll auf den leergegessenen Teller.
    „Und du meinst, sie könnten heute Abend eine tödliche Überdosis Fernsehen abbekommen?“
    „Das ist nicht der Punkt“, sagte Heide, die einen argumentativen Schulterschluss zu ihrem Mann herstellen wollte, „Franklin und Skye dürfen sich jeden Tag eine Sendung zwischen dreißig und sechzig Minuten aussuchen, die bis fünf Uhr nachmittags ausgestrahlt wird. Am Wochenende auch bis 18 Uhr. Aber heute haben sie schon geschaut, und ich finde es wichtig, dass sie lernen, dass die Regeln auf sie bezogen sind und nicht auf die Umgebung, in der sie sich befinden.“
    Keiner verspürte die Lust, das Thema zu vertiefen. Veronika bemerkte, dass ihr heute Abend die Qual erspart blieb, auf ein Dessert verzichten zu müssen, und holte sich noch ein Kotelett und etwas Kartoffelsalat. Hartmut listete auf, was die Sozis in Berlin in ihrem ersten Jahr an der Regierung in den Sand gesetzt hatten. Daria erkundigte sich, ob sich die anderen schon Gedanken für die Millenniumsnacht gemacht hätten – Frieder würde in jedem Fall lieber in Gerding bleiben als auf eines der maßlos überteuerten Eventangebote der Tourismusbranche hereinzufallen. Frieder fand Gerdings öffentliche Anlagen außergewöhnlich gepflegt, er zählte die Blumenbeete auf, die er auf seiner Joggingtour durch den Ort gesehen hatte. Annemarie schwieg. Georg fragte, ob er den Grill noch einmal anheizen sollte. (Nein).
     
    Eine Liste der Getränke, die bis 21.45 Uhr getrunken wurden und von wem:
    - vier Weißbier, zwei Schnäpse (Hartmut)
    - zwei Weinschorlen, einen winzigen Schluck Schnaps aus dem Glas ihres Mannes (Veronika)
    - ein großes Glas Sprudelwasser, ein Glas Wein (Daria)
    - drei Weißbiere, keinen Schnaps (Frieder)  
    - zwei Weißbier, einen Schnaps (Georg)
    - ein Glas Wein (Annemarie)
    - jeweils zwei Glas Wein, keinen Schnaps (Peter und Heide)
     
    Um kurz vor zehn Uhr schlief Hartmut ein. Er hatte gerade mit Daria im Garten geraucht, hatte, wie Daria fand, seine Pfeife in tiefen, hastigen Zügen heruntergeraucht, beinahe so, als wäre eine Pfeife eine Zigarette ohne Papier. Nun sackte er auf der Eckbank in sich zusammen, sein Kopf fiel auf die rechte Schulter. Er schnaufte ein paar Mal, dann wurde sein Atem ruhiger. Einige Strähnen seines grauen, nach hinten gekämmten Haares fielen nach vorne. Veronika rutschte etwas nach links, so dass sich ihre Schultern berührten.
    „Dürfen wir alle heute hier schlafen?“ Franklin und Skye kamen nebeneinander die Treppe hinunter. Sie waren zweieiige Zwillinge, die wie eineiige wirkten. Gleich groß, schlank und die gleichen mittelbraunen, dichten Haare, die nach rechts gescheitelt waren und das Auge halb bedeckten. Die markante Frisur erschlug gleichsam die Wahrnehmung möglicher Unterschiede.
    „Bitte. Nur dieses eine Mal“, sagte Lara mit ihrer hohen, leicht penetrant klingenden Stimme, die als Nächste die Treppe herunterkam. Sie trug mehrere Pappteller übereinander, als könnte diese Geste die Entscheidung der Eltern beeinflussen.
    Annemarie und Georg schwiegen in der Hoffnung, Veronika bzw. Peter und Heide würden ihnen die Antwort abnehmen. Aber es folgte ein irritierend langer Moment der Stille, in den hinein Lara sagte: „Wir können doch in unseren Schlafsäcken auf dem

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