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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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sie vor ihm liegen würde, auf der Seite wie er, und dass er ganz sanft in sie eindringen würde, ihr Kopf auf seinem linken Arm, die Augen geschlossen. Er würde mit ihr schlafen, ganz ruhig und ganz lange, von München nach Budapest. Das hatte sie vor Jahren einmal in so einem Moment gesagt, einfach so, ohne irgendeinen Bezug. Sie hatten so laut gelacht, dass er beinahe seine Erektion eingebüßt hätte.
     
    Daria legte die nackten Füße auf die Armlehne der Couch und schaute in den Garten. Auf dem Gras verteilten sich vier Bocciakugeln, zwei rote und zwei blaue. Die kleine weiße, die Zielkugel, konnte sie nicht sehen, vielleicht war sie unter die Hecke gerollt oder lag direkt hinter einer farbigen. Wie auch immer, das hatte Zeit bis morgen. Daria griff nach ihren Zigaretten; bis zu Frieders Rückkehr in zwei Tagen würde nichts mehr zu riechen sein.
    Ganz mechanisch nahm sie die Fernbedienung in die Hand, legte sie aber wieder zurück auf den Tisch. Svenja schlief vielleicht noch nicht fest genug. Sie war überspannt und reizbar gewesen an diesem Abend, obwohl sie Frieders Namen nicht mehr erwähnt hatte, nachdem die Haustür ins Schloss gefallen war, fehlte er ihr. Oder vielmehr, er fehlte –  in einem beinahe neutralen Sinn – in den gewohnten Abläufen und Ritualen des Abends. Daria musste ihrer Tochter eine überlange Geschichte vorlesen, obwohl Svenja sich seit ungefähr einem Jahr selbst in den Schlaf las. Sie hatte sogar gefragt: „Wenn ich es in einer Minute schaffe zu weinen, Mama, darf ich dann zu dir ins Bett?“
    Nach ihrer zweiten Zigarette bemerkte Daria, dass die Dunkelheit die blauen Bocciakugeln verschluckt hatte. Aber es war immer noch so mild, dass sie die Terrassentür zwei Handbreit geöffnet hielt. Daria zappte ohne Ton durch die Kanäle, sie fühlte sich zu ausgelaugt, um zu lesen oder an der Übersetzung weiterzuarbeiten. Sie hatte nicht einmal Lust auf ein Glas Wein.
    Als sie, immer noch ohne Ton, bei den Nachrichten auf irgendeinem Privatsender weilte und Bilder von brennenden, zerstörten Häusern und weinenden Menschen im ehemaligen Jugoslawien sah, ließ sie plötzlich ein Geräusch auf der Terrasse auffahren. Es kam von der Hecke, Georg zwängte sich durch den Spalt an der Hauswand, war in zwei Schritten an der Schiebetür und in zwei weiteren in ihrem Wohnzimmer, eine Flasche Rotwein in der Hand, in seinem Gesicht ein Lächeln, das die Zähne zeigte.
    „Wie kannst du mich so erschrecken?“ Daria setzte sich aufrecht hin, die Fernbedienung glitt ihr aus der Hand und fiel aufs Parkett. „Ich bin alleine, ich meine, Svenja …“
    „Ich auch“, sagte er. „ Annemarie übernachtet mit dem Bub bei ihren Eltern. Eigentlich wollte sie nach dem Abendessen wiederkommen, aber dem Vater geht es in letzter Zeit ziemlich schlecht. Und da hatte ich vorhin die Idee, in meinem eigenen Haus den Korkenzieher nicht zu finden.“
    Instinktiv fragte sie sich, ob sie Svenjas Zimmertür geschlossen hatte. (Ja). Dann ging sie in die Küche und öffnete die Besteckschublade. Als sie zurückkam, saß Georg auf dem Parkettboden, den Rücken an die Couch gelehnt, dort, wo vorhin ihr Kopf lag. Die Hausschuhe hatte er abgestreift, er trug kurze, schwarze Socken. Sie schloss die Schiebetür, zog die Vorhänge zu und setzte sich auf die Coach, eine Armlänge von ihm entfernt.
    „Gläser?“
    Daria deutete auf den Vitrinenschrank hinter dem Esstisch, und er erhob sich. In diesem Moment fiel ihr wieder ein, was sie an Georg zuerst wahrgenommen hatte: seinen Gang. Manche Männer, fand sie, bewegten sich, als gäbe es überhaupt keine Zone zwischen ihren Beinen und dem Oberkörper oder als wäre ihnen dieser Bereich völlig unbekannt. Sie gingen ohne einen inneren Schwerpunkt, wie schlecht geführte Marionetten. Georg bewegte sich langsam, seine Füße hoben sich kaum vom Boden, aber jeder Schritt war der Schritt eines Mannes.
    Er reichte ihr ein Glas und setzte sich wieder auf den Boden, in seine alte Position.
    „Warum seid ihr eigentlich nicht zusammen nach Karlsruhe gefahren?“
    „Oh. Eine Familienangelegenheit, im engeren Sinne. Frieder wollte mit seinem Vater und seinem Bruder ein paar Dinge wegen des Erbes durchsprechen. Besser gesagt, er hatte das Gefühl, sein Vater hätte gerne ein Gespräch mit seinen Söhnen geführt.“
    „Das passt zu Frieder.“
    „Was passt zu ihm?“
    „Dass er über das nachdenkt, was sein Vater zwar nicht gesagt hat, aber eventuell gedacht haben könnte.“ Georg

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