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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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zurück, wo ein wüster Kampf entbrennt.
    Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Jibril verteidigt mich gegen seinen besten Freund? Und Galcerán geht auf seinen Schwertbruder los, der ihn und den Orden verraten hat? Nein, Jungs, so nicht! So bekommt ihr das Mandylion nicht!
    Ich ziehe mir das Band mit dem Schlüssel über den Kopf, greife mit beiden Händen nach dem schwingenden Reliquiar und halte es an. Dann stoße ich den Schlüssel in das silberne Schloss, öffne den Deckel des Schreins und hebe das Reliquiar mit dem Mandylion heraus. Es ist eine mit Gold und Juwelen verzierte Schatulle aus Rosenholz. Ich hebe den Deckel an und sehe hinein. Darin liegt ein schweres Tuch aus Goldbrokat, das mit Kreuzen bestickt ist. Ich schlage es zurück.
    Gefaltetes Leinen.
    Der Stoff ist brüchig wie ein antiker Papyrus.
    Vorsichtig schiebe ich das Tuch aus Goldbrokat wieder über das Mandylion, schließe die Rosenholzkassette und schiebe sie zu den Büchern und den Abendmahlskelchen in die Tasche.
    Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren.
    Angelockt von dem Lärm, den Jibril und Galcerán im Allerheiligsten machen, kann jederzeit eine Horde Yeniçeriler in die Kapelle eindringen.
    Ich hebe alle Waffen auf, die in der blutüberströmten Kapelle herumliegen, zwei Dolche, zwei Schwerter, eine Armbrust und einen Köcher mit Bolzen, schultere die Tasche mit meiner Beute und werfe einen letzten Blick auf Cesares durchscheinend wächsernes Gesicht.
    Tränen rinnen mir über die Wangen, Tränen der Trauer und der Wut. Schniefend wende ich mich ab und verlasse das düstere Parakklesion. Das Allerheiligste ist leer. Der Kampflärm dringt jetzt aus der Kapelle.
    Ich gehe zur Ikonostasis hinüber und luge durch die Königstür in die Kapelle. Tatsächlich, da vorn, zwischen den Säulen des linken Seitenschiffs, kämpfen die beiden Hitzköpfe gegeneinander. Gut so!
    Schwer bepackt eile ich los, springe die Stufen vor der Ikonostasis hinunter und hetze durch die Kapelle. Als ich den Durchgang zum Narthex erreiche, höre ich hinter mir einen Schrei, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.
    Jibril?
    Nicht stehen bleiben! Lauf, Sandra, lauf! Dann verschwinde mit Al-Mansur aus der Stadt!
    Im Seitenschiff poltert ein Schwert zu Boden. Der Kampf scheint zu Ende zu sein.
    »Alessandra?«, ruft Galcerán.
    Ich hetze durch den Narthex, wo noch immer die beiden Yeniçeriler liegen, und reiße mit Schwung das Portal auf.
    Ein rascher Blick nach draußen genügt: weit und breit kein Yeniçeri in Sicht.
    »Alessandra!«, brüllt Galcerán hinter mir her.
    Ist Jibril tot?
    Während ich durch das Portal eile, kann ich schwere Schritte hinter mir hören.
    Galcerán folgt mir.
    Und dem Mandylion.

Kapitel 78
    Vor der Kapelle des Blachernen-Palastes
29. Mai 1453
Kurz vor halb neun Uhr morgens
    »Alessandra!«, brüllt Galcerán hinter mir. »Bleibt stehen!«
    Mit der schweren Tasche, die mir bei jedem Schritt gegen den Rücken schlägt, hetze ich über den Hof in den Palast.
    Wie spät mag es sein? Acht? Halb neun? Die Schiffe im Goldenen Horn – ob sie die Sperrkette schon durchbrochen haben? Ob sie den türkischen Galeeren schon entkommen konnten?
    Ich muss mich beeilen. Notfalls muss ich ins Meer springen und schwimmen. Die Venezianer und Genuesen werden mich an Bord nehmen. Giovanni Giustiniani, Alvise Diedo, Antonio und Troilo Bocchiardi werden mich nicht zwischen den türkischen Schiffen im Wasser treibend zurücklassen. Oder doch?
    Ich bin allein, ganz allein.
    Aber ich habe einen Vorteil: Ich bin nicht verletzt.
    In diesem Augenblick höre ich hinter mir die Explosion einer Arkebuse. Die Kugel pfeift an meinem Helm vorbei und schlägt in die Wand neben mir. Ein Ziegel zerbirst in einer rötlichen Wolke.
    Vor Schreck stolpere ich und rutsche auf dem glatten Steinboden aus. Ein Geflecht von Eisenringen verstärkt die ledernen Sohlen der türkischen Stiefel. Auf unbefestigtem Boden bietet es Halt, auf Stein und Marmor ist es jedoch sehr rutschig. Im letzten Augenblick kann ich mich fangen. Eine zweite Kugel zischt über mich hinweg.
    Da, das Portal!
    Rasch werfe ich einen Blick zurück. Galcerán ist nur wenige Schritte hinter mir. Zwei Türken mit Arkebusen folgen uns. Die Waffen nützen ihnen jedoch nichts, denn das Nachladen dauert zu lange. Auf ihn haben sie geschossen, den Johanniter, nicht auf mich, denn ich sehe ja aus wie ein Yeniçeri.
    Ich warte nicht auf Galcerán, sondern hetze weiter durch den Palast. Trotz der

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