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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Sie das, der Herr», erwiderte er. «Ich kann’s kaum abwarten.»
    Er schrieb etwas auf ein Blatt Papier, rieb sich seine Schweinshaxe von einer Nase, kratzte sich mit dem Stift am Hintern und benutzte den gleichen Stift, um damit in seinem Ohr zu popeln.Dann erhob er sich – langsam – und stellte etwas in einen Aktenschrank. Das Telefon läutete. Er ließ es ein paarmal läuten, bevor er den Hörer abnahm, lauschte, ein paar Notizen verfasste und ein Blatt in einen Ablagekorb legte. Als der Anruf beendet war, blickte er hinauf zu der großen Uhr über der Tür. Dann gähnte er.
    «Ich möchte gern Verbrecher in München sein, bei diesen Arbeitsmethoden, die ihr habt.» Ich steckte mir eine Zigarette an.
    Das gefiel ihm nicht. Er deutete mit seinem Stift auf ein Schild: RAUCHEN VERBOTEN. Ich drückte meine Zigarette aus. Ich wollte schließlich nicht den ganzen Morgen da sitzen und warten. Nach einer Weile nahm er erneut den Hörer ab und wählte eine Nummer. Er sprach mit leiser Stimme, während sein Blick ein- oder zweimal in meine Richtung huschte, sodass ich den Eindruck bekam, dass er wohl über mich redete. Deswegen steckte ich mir, als er aufgelegt hatte, erneut eine Zigarette an. Er trommelte mit dem Stift auf dem Schreibtisch vor seinem dicken Bauch, bis ich zu ihm hinsah, dann deutete er erneut auf das Rauchverbotsschild. Diesmal ignorierte ich ihn. Was ihm noch weniger gefiel.
    «Rauchen verboten!», grollte er.
    «Ich weiß.»
    «Wissen Sie, was das Dumme ist mit euch Berliner Polizisten?»
    «Wenn Sie es schaffen, mir Berlin auf einer Landkarte zu zeigen, höre ich vielleicht interessiert zu, Dicker.»
    «Ihr seid alle Judenfreunde.»
    «Ah, jetzt weiß ich, was Sie meinen.» Ich blies eine Rauchwolke in seine Richtung und grinste ihn an. «Wir sind nicht alle Judenfreunde bei der Berliner Polizei. Aber tatsächlich haben wir ein paar Leute, die genauso sind wie Sie, Wachtmeister. Ignorante Heuchler, eine Schande für die Uniform.»
    Er starrte mich an. Dann sagte er: «Die Juden sind unser Unglück. Es wird Zeit, dass die Polente in Berlin aufwacht und das erkennt.»
    «Nun, das ist eine interessante Aussage. Haben Sie sich dasselbst ausgedacht, oder stand es auf der Schale der Banane, die Sie heute Morgen gefrühstückt haben?»
    Ein Kriminalbeamter erschien. Ich wusste, dass er ein Kriminaler war, weil seine Hände nicht über den Boden schleiften. Er starrte zu dem Affen hinter dem Schalter, der mit dem Kopf auf mich deutete. Der Ermittler kam herbei und blieb mit dümmlichem Gesichtsausdruck vor mir stehen. Es hätte vielleicht funktioniert, wäre sein übriges Gesicht nicht so verdammt wölfisch gewesen.
    «Kommissar Gunther?»
    «Ja. Stimmt etwas nicht?»
    «Ich bin Kriminalsekretär Christian Schramma.» Wir gaben uns die Hand. «Ich fürchte, ich habe schlechte Neuigkeiten für Sie. Kommissar Herzefelde ist tot. Er wurde gestern Nacht erschossen. Drei Schüsse in den Rücken beim Verlassen einer Bar in Sendling.»
    «Wissen Sie schon, wer der Täter ist?»
    «Leider nicht, nein. Wie Sie vielleicht wissen, hatte Kommissar Herzefelde mehrere Todesdrohungen erhalten.»
    «Weil er Jude war. Natürlich.» Ich sah zu dem fetten Wachtmeister vom Dienst hinter seinem Schalter. «Man findet Hass und Dummheit, wohin das Auge blickt. Selbst bei der Polizei.»
    Schramma schwieg.
    «Es tut mir sehr leid», sagte ich. «Ich kannte ihn noch nicht sehr lange, aber Paul Herzefelde war ein guter Mann.»
    Wir gingen nach oben in den Einsatzraum der Ermittler. Es war ein warmer Tag, und die Fenster standen offen. Von unten drang der Lärm spielender Kinder vom Schulhof des benachbarten Gymnasiums herauf. Es klang lebendig und unbeschwert.
    «Ich habe Ihren Namen in seinem Journal gesehen», sagte Schramma. «Aber er hat keine Telefonnummer notiert und auch nicht, woher Sie kommen, sonst hätte ich Sie angerufen.»
    «Das ist nicht so schlimm. Er wollte mir Informationen zukommen lassen bezüglich eines Mordfalls, an dem er gearbeitet hat. Elisabeth Bremer?»
    Schramma nickte.
    «Wir haben einen ähnlichen Fall in Berlin», erklärte ich ihm. «Ich bin nach München gekommen, um Einsicht zu nehmen in die Akten und herauszufinden, ob die Fälle sich tatsächlich ähneln.»
    Er biss sich unbehaglich auf die Lippe, was wenig dazu beitrug, meinen ersten Eindruck von ihm zu ändern. Er sah aus wie ein Werwolf.
    «Hören Sie, es tut mir wirklich leid, Ihnen das sagen zu müssen, nachdem Sie den ganzen Weg von Berlin

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