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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Scharfblick in einem Job, der nichts anderes verlangte. Er nahm lange Überstunden auf sich, wenn sie nötig waren, und hielt seinem Partner den Rücken frei. Wenn er dabei ein bisschen dunkel, ein bisschen verschlossen war, sollte es Hunt recht sein.
    Yoakum schüttelte den Kopf. »Eine Nacht, nach der man aussieht wie Sie, möchte ich auch gern mal erleben.«
    »Nein, möchten Sie nicht.«
    Yoakums Grinsen verschwand. »Ich weiß, Clyde«, sagte er knapp. »War nur Spaß.« Er deutete mit dem Daumen hinter sich.
    »Ich hab da einen Anruf, den Sie vielleicht annehmen möchten.«
    »Wieso?«
    »Weil es um Johnny Merrimon geht.«
    »Im Ernst?«
    »Irgendeine Lady will mit einem Polizisten sprechen. Ich hab ihr gesagt, ich bin hier heute der einzige echte Polizist. Ein emotionales Wrack, ja, so was hätte ich zu bieten. Einen zwanghaft Obsessiven, der früher mal Polizist war. Den könnte sie auch haben. Alle beide sogar. Beide auf einmal.«
    »Welche Leitung, Klugscheißer?«
    Yoakum entblößte seine tadellosen Porzellanzähne. »Die Drei«, sagte er und ging mit lässigem Hüftschwung hinaus. Hunt nahm den Hörer ab und drückte auf den blinkenden Knopf für Leitung drei. »Detective Hunt.«
    Es war kurz still, und dann hörte er eine Frauenstimme. Sie klang alt. »Detective? Ich weiß nicht, ob ich einen Detective brauche. So wichtig ist es eigentlich nicht. Ich dachte nur, jemand sollte Bescheid wissen.«
    »Schon okay, Ma'am. Darf ich fragen, wie Sie heißen?«
    »Louisa Sparrow.«
    Sparrow — der Sperling. Die Stimme passte. »Und was für ein Problem haben Sie, Mrs. Sparrow?«
    »Es geht um diesen armen Jungen. Sie wissen schon — der seine Schwester verloren hat.«
    »Johnny Merrimon.«
    »Genau. Der arme Junge ...« Sie zögerte einen Augenblick, aber dann wurde ihre Stimme fester. »Er war eben bei mir ... vor einer Minute.«
    »Mit einem Foto seiner Schwester«, unterbrach Hunt.
    »Ja, ganz recht. Woher wissen Sie das?«
    Hunt überging ihre Frage. »Würden Sie mir bitte Ihre Adresse nennen, Ma'am?«
    »Er ist doch nicht in Schwierigkeiten, oder? Er hat genug durchmachen müssen, das weiß ich. Aber heute ist doch ein Schultag, und es ist alles sehr beunruhigend — ihr Bild so zu sehen, und dass er noch genauso aussieht wie sie, als wäre er überhaupt nicht mehr gewachsen. Und die Fragen, die er stellt — als könnte ich etwas damit zu tun haben.«
    Detective Hunt dachte an den kleinen Jungen, den er im Supermarkt gefunden hatte. An die tiefen Augen. Die Wachsamkeit. »Mrs. Sparrow ...«
    »Ja?«
    »Ich brauche Ihre Adresse.«
    Hunt fand Johnny Merrimon einen Block weit von Louisa Sparrows Haus entfernt. Der Junge saß auf dem Randstein und hatte die Beine vor sich übereinandergeschlagen. Sein Hemd war durchgeschwitzt, und das Haar klebte ihm an der Stirn. Sein klappriges Fahrrad lag da, wo er es hatte fallen lassen, halb auf dem Rasen eines Vorgartens. Er kaute an einem Stift und beugte sich dabei über eine Karte, die wie eine Decke über seinen Schoß gebreitet lag. Er war völlig konzentriert und schaute erst auf, als Hunt die Wagentür zuschlug. In diesem Augenblick sah er aus wie ein erschrockenes Tier, aber dann hielt er inne. Hunt sah das Wiedererkennen in Johnnys Augen, dann Entschlossenheit und etwas noch Tieferes.
    Hinnahme.
    Und dann Schläue.
    Mit einem Blick schätzte der Junge die Entfernung ab, als wollte er auf sein Fahrrad springen und die Flucht ergreifen. Er spähte kurz zum nahen Wald hinüber, aber als Hunt näher kam, sackte er in sich zusammen. »Hallo, Detective.«
    Hunt nahm die Sonnenbrille ab. Sein Schatten fiel auf die Füße des Jungen. »Hallo, Johnny.«
    Johnny faltete seine Karte zusammen. »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Also sagen Sie's nicht.«
    Hunt streckte die Hand aus. »Darf ich die Karte sehen?«
    Johnny erstarrte, und wieder sah er aus wie ein gehetztes Tier. Er schaute die lange Straße hinunter und blickte dann auf die Karte.
    Hunt redete weiter. »Ich habe von dieser Karte gehört, weißt du. Ich hab's erst nicht geglaubt, aber die Leute haben mir davon erzählt.« Sein Blick war hart. »Wie oft hatten wir das jetzt, Johnny?
    Wie oft hab ich mit dir darüber gesprochen? Viermal? Fünfmal?«
    »Siebenmal.« Johnnys Stimme drang kaum aus dem Rinnstein herauf, und er umklammerte die Karte so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden.
    »Ich gebe sie dir zurück.«
    Der Junge hob den Kopf. Seine schwarzen Augen glänzten, und die Verschlagenheit fiel

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