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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Banner dagegen war ein echter Adlerflügel, der an eine Stange genagelt worden war. Er war inzwischen so zerfetzt, dass Ragnar jedem einen goldenen Armreif versprochen hatte, der ihm eine neue Schwinge besorgte. «Wenn sie uns von hier vertreiben wollen», sagte er, «sollten sie angreifen, und zwar innerhalb der nächsten drei Wochen, bevor ihre Männer nach Hause gehen, um die Ernte einzufahren.»
    Doch statt anzugreifen, versuchten die Mercier, uns vor die Stadt zu locken. Ein Dutzend Priester im Ornat kam,
    Kreuze vor sich hertragend und gefolgt von doppelt so vielen Mönchen mit geweihten Bannern an Kreuzstangen, auf die Stadt zu und paradierte an unseren Bogenschützen entlang. Auf den Fahnen waren Heilige dargestellt. Einer der Priester versprengte Weihwasser. Dann blieb die ganze Gruppe stehen und belegte uns mit Flüchen. Es war der Tag, an dem die Streitkräfte der Westsachsen eintrafen, um Burghred zu unterstützen, dessen Frau die Schwester von Alfred und König A Ethelred von Wessex war. An diesem Tag sah ich zum ersten Mal die westsächsische Drachenstandarte, ein riesiges Banner aus schwerem, dunkelgrünem Tuch, auf dem ein weißer Drache Feuer spie. Der Standartenträger galoppierte, um zu den Priestern aufzuschließen, und der Drache flog hinter ihm her. «Du kommst auch noch dran», sagte Ragnar leise, und er sprach mit dem flatternden Drachen. «Wann?», fragte ich.
    «Das wissen nur die Götter», antwortete Ragnar, ohne seinen Blick von der Fahne abzuwenden. «Wenn wir in diesem Jahr mit Mercien fertig sind, machen wir uns über die Ostangeln her. Danach ziehen wir nach Wessex. Wann wir ganz England mit seinen Schätzen in der Hand haben? In drei oder vier Jahren vielleicht. Aber dazu brauchen wir mehr Schiffe, Uhtred.» Er meinte mehr Kämpfer, mehr Schilde und Schwerter.
    «Warum ziehen wir nicht nach Norden?», fragte ich.
    «Nach Dalriada und ins Land der Pikten?» Er lachte. «Da oben gibt's nur kahle Felsen, öde Felder und Hungerleider. Das Land dort ist nicht besser als unseres zu Hause.» Er nickte in Richtung des Feindeslagers. «Das hier ist gutes, fruchtbares Land. Reich und fruchtbar. Hier kann man seine Kinder aufziehen.» Er verstummte, als eine Reitergruppe aus dem Lager zu dem Träger des Drachenbanners aufschloss. Selbst von weitem war zu erkennen, dass es sich bei diesen Männern um hohe Herren handeln musste, denn sie saßen auf prächtigen Pferden und trugen glänzende Kettenhemden über dunkelrotem Tuch.
    «Der König von Wessex», vermutete Ragnar.
    « A Ethelred?»
    «Wahrscheinlich. Gleich werden wir es genau wissen.» «Was?»
    «Aus welchem Holz diese Westsachsen geschnitzt sind. Die Mercier wollen nicht angreifen. Mal sehen, ob A Ethelreds Männer mehr taugen. Sie sollten kommen, wenn es dunkel wird, Leitern an den Wall legen, ein paar Männer verlieren und mit dem Rest über uns herfallen.» Er lachte wieder. «Jedenfalls würde ich das tun. Aber dieser Haufen ...?» Er spuckte aus.
    Ivar und Ubba dachten offenbar ähnlich, denn sie schickten zwei Späher los, um in Erfahrung zu bringen, ob die Mercier und Westsachsen Leitern zusammenzimmerten. Die beiden Männer brachen im Schutz der Dämmerung auf und schlichen zum feindlichen Lager, doch sie wurden entdeckt und gefangen genommen. Man führte sie, die Hände auf den Rücken gefesselt, vor den Wall und hieß sie niederknien. Ein großer Engländer stand mit gezogenem Schwert hinter ihnen. Ich sah, wie er einem der Dänen die Schwertspitze in den Rücken stach und ihn, als er den Hals vor Schmerzen reckte, mit einem Streich enthauptete. Der andere Däne starb auf die gleiche Weise. Über beide Leichen machten sich bald darauf die Raben her. «Verdammte Schweine», fluchte Ragnar.
    Auch Ivar und Ubba hatten die Hinrichtung beobachtet. Die Brüder waren nur selten zu sehen. Ubba hielt sich meist in seinem Haus auf, während Ivar, obwohl dünn und geisterhaft, häufiger in Erscheinung trat. Im Morgengrauen und in der Abenddämmerung schritt er den Wall ab und beobachtete schweigsam den Feind. Jetzt aber sprach er mit Ragnar und deutete auf die grünen Felder jenseits des Flusses. Wie immer knurrte er unfreundlich, woran Ragnar jedoch keinen Anstoß nahm. «Er ist wütend», erklärte mir Ragnar später, «und er will wissen, ob sie einen Angriff planen. Ich soll ein paar Männer als Späher in ihr Lager schicken. Aber was dann?» Er nickte in Richtung auf die enthaupteten Leichen vor dem Wall. «Vielleicht gehe ich am

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