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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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vor zudringlichen Fragen zu fürchten. Idun Franck hatte keine Ähnlichkeit mit der Frau an der Paßkontrolle im Flughafen, Tone Sowieso. Entzückt hatte sie Suzannes Namen gelesen und sofort losgeplappert, über alte Schultage und so weiter. Die Schlange hinter Suzanne war immer länger geworden, doch Suzanne hatte sich erst losreißen können, als sie endlich ihren Paß wieder in den Händen hielt. Dann war sie buchstäblich nach Norwegen gestolpert.
    »Ich war als Teenager krank. Sehr krank. Ich war anderthalb Jahre in Gaustad in der geschlossenen Abteilung. Ich mußte weg, um gesund werden zu können.«
    Sie staunte über sich selbst. Es war zwar kein Geheimnis, daß sie verrückt gewesen war. Ihre Bekannten in Frankreich wußten das alle, jedenfalls die, mit denen sie vertraut genug war, um über Dinge zu sprechen, die sich vor über fünfzehn Jahren zugetragen hatten. Aber sie redete immer seltener darüber. Iduns Frage, warum sie nach Frankreich gegangen sei, hatte sie so überrascht, daß die Antwort wie von selbst gekommen war.
    »Außerdem bin ich eine halbe Französin«, fügte sie zur Erklärung hinzu. »Mein Nachname stammt von meinem Vater. Meine Mutter war Französin. Ich war zwar noch klein, als sie gestorben ist, aber ich hatte Bekannte und Verwandte in Frankreich, und deshalb lag es nahe, dorthin zu gehen, als ich aus Norwegen wegmußte.«
    Sie nahm sich noch eine Kelle Bouillabaisse. Die war offenbar hausgemacht und schmeckte nach Marseille. Sie wischte die Kelle mit einer Serviette ab und stellte fest, daß Idun ihr Essen kaum angerührt hatte.
    »Das hat wirklich gut geschmeckt«, sagte Suzanne. »Ich sehe ja nicht so aus, als äße ich viel, aber der Schein trügt. Ich esse schrecklich gern. Ich hatte nur großes Glück mit … wie heißt das noch auf norwegisch? Dem Verbrennwerk?«
    »Dem Verbrennungssystem. Ach, soviel Glück möchte ich auch haben.«
    Als der Verlag Suzanne bat, die Bilder für das Buch über Brede Ziegler und seine Küche zu machen, hatte sie sich die Sache einen Tag lang überlegt. Für den Verlag war die Anfrage eine klare Sache gewesen; Suzanne Klavenæs lieferte regelmäßig Bildreportagen für Paris Match und hatte außerdem im Vorjahr für National Geographic eine zehnseitige Reportage über Flüchtlingsströme aus Zentralafrika gemacht. Sie war an große Aufträge und entsprechende Honorare gewöhnt.
    »Zu Hause«, sagte Suzanne plötzlich. »Aus irgendeinem Grund spreche ich von Norwegen noch immer als von ›Zu Hause‹. Ich habe diesen Auftrag angenommen, weil ich herausfinden wollte, ob ich wieder hier leben könnte. Nach allem, was passiert ist. Nachdem … als mein Vater gestorben war, bin ich mit der Morgenmaschine hergekommen und eine Stunde nach der Beerdigung wieder geflogen. Meine Verwandtschaft hat mir das verziehen, glaube ich. Aber damals … ich wußte einfach nicht, ob ich dieses Land würde ertragen können. Ob ich alles überwunden hätte.«
    »Ist das möglich, was meinst du?« Idun Franck schenkte ihnen beiden Wein nach und spielte mit ihrem Glas.
    »Ich weiß ja nicht, was du durchgemacht hast, und will auch nicht danach fragen, aber … so wie die Bosnierinnen, von denen du erzählt hast. Vergewaltigt und … und die Flüchtlinge in Afrika, die unterwegs ihre Kinder verlieren, eins nach dem anderen, durch Krankheit und Hunger und … ist es möglich, vor solchen Erlebnissen davonzulaufen, was glaubst du? Können wir danach überhaupt weiterleben? Ein echtes, vollständiges Leben?«
    Plötzlich fiel Suzanne auf, daß aus den Lautsprechern im Wohnzimmer Sarah Brightmans Stimme tönte. Sie brachte diese Schnulzensängerin nicht mit ihrem sonstigen Eindruck von Idun Franck zusammen. Die Wohnung war zwar nicht sonderlich durchdacht eingerichtet, aber die Mischung aus Antiquitäten und IKEA-Möbeln ergab doch ein Ganzes, das auf sicheren Geschmack hindeutete.
    »Ich habe gelesen«, sagte Idun dann und lachte kurz auf, »daß die Leber der einzige Körperteil ist, der sich vollständig erneuern kann. Es entstehen so viele neue Zellen, daß wir nach fünf Jahren eine ganz neue Leber haben. Wenn wir nicht zuviel trinken, meine ich.« Sie hob ihr Glas. »Gilt das wohl auch für die Seele, was meinst du?«
    Dann sprang sie, ohne die Antwort abzuwarten, auf und nahm die Teller vom Tisch.
    »Jetzt aber an die Arbeit. Den Kaffee gibt’s im Wohnzimmer. Hast du die Bilder mitgebracht?«
    Suzanne ging hinter ihr her und setzte sich auf das Ledersofa. Bei ihrem

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