Das letzte Opfer (German Edition)
geschrien und die Nachbarn aufmerksam gemacht hatte? Es war wohl eine Sache für sich, wenn der eigene Mann plötzlich sein wahres Gesicht zeigte. Da setzte man eher auf Verhandlungen. Dann hatte Marko sie irgendwohin geschafft und dafür gesorgt, dass der Tod erst im Laufe des Abends oder der Nacht eingetreten war und es nach Selbstmord aussah.
«Wissen Sie, was mich am meisten stört?», fragte Klinkhammer. «Dass er erst jetzt damit kommt. Warum hat er das nicht gestern Abend vorgebracht? Er hat doch mitbekommen, dass wir die halbe Nacht mit Dierden zusammensaßen. Und er wird kaum angenommen haben, dass wir uns gegenseitig Witze erzählen. Warum schreit er nicht nach einem Anwalt? Jeder andere hätte das schon in der Nacht getan.»
«In der Nacht hätte ein Anwalt seinen perfekten Plan noch durchkreuzen können», erwiderte Scheib. «Und jetzt ist er sicher, dass er keinen Anwalt mehr braucht.»
«Wo sehen Sie denn einen perfekten Plan?», fragte Klinkhammer irritiert. «Ich bin zwar kein Fallanalytiker, darf ich trotzdem mal sagen, was ich denke?»
«Nur zu», forderte er, weil ohnehin nicht damit zu rechnen war, dass Klinkhammer den Mund hielt.
«Er war in Frankfurt, um einen Killer anzuheuern», spekulierte Klinkhammer. «Deshalb bekommen wir keine Auskunft über den Freitag. Deshalb hat er das Mädchen aus dem Haus geschafft und darauf bestanden, mit uns nach Bergheim zu fahren. Es ging nur darum, dass sie alleine blieb. Wären wir nicht gekommen, hätte er Einkäufe gemacht und seinen Knirps mitgenommen, damit er ihr nicht auf die Nerven geht.»
«Unwahrscheinlich», sagte Scheib. «Er …»
«Moment», unterbrach Klinkhammer. «Ich war ja noch nicht fertig. Vielleicht war es ursprünglich so gedacht, dass Dierden die Leiche findet. Er hat das Telefon ausgezogen, damit jemand kommen muss, um nachzuschauen, was los ist. Dass wir schon um acht Uhr auf der Matte standen, hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er musste befürchten, dass wir von den falschen Leuten gesehen wurden. Deshalb war er anfangs auch so nervös, hatte aber trotzdem das Zepter in der Hand. Das ganze Geschwafel diente nur einem Zweck: Er hat Zeit geschunden. Als sie nicht ans Telefon ging, hat er sich beruhigt. Vielleicht war vereinbart, den Stecker wieder an seinen Platz zu drücken, damit er sich von unterwegs vergewissern kann, ob es überstanden ist. Aber dann kam er nach Hause und stellte fest, dass sein Mann gekniffen hatte. Da musste er es doch selbst übernehmen.»
«Er verlässt sich nicht auf andere», sagte Scheib. «Ich nehme an, er hat am Freitag irgendwo ein Grab ausgehoben. Nach unserem Erscheinen konnte er es sich jedoch nicht mehr leisten, sie einfach verschwinden zu lassen. Er hat einen Suizid inszeniert, der seine Zeit brauchte. Wahrscheinlich Barbiturate, die kann man ohne ärztliches Rezept in jeder Apotheke kaufen. Er hat dreißig Minuten für eine Heimfahrt gebraucht, die auch in zehn zu schaffen ist, blieben zwanzig Minuten für eine Besorgung. Mit dem fehlenden Messer an der Kehle hat er sie gezwungen, das Zeug zu schlucken. Bei der Obduktion wird man oberflächliche Schnittwunden feststellen, am Hals, zusätzlich noch ein paar an den Handgelenken, die als Probeschnitte einer Selbstmörderin durchgehen mögen. Er ist überzeugt, dass er alles auf sie abwälzen kann.»
Klinkhammer war nun sehr verblüfft. Jetzt sprach der Sonderermittler, feste Stimme und eine klare Vorstellung. Er verlangte, dass eine Suchmannschaft auf den Weg gebracht wurde. Sie sollten sich auf einen Radius von zwei Kilometern konzentrieren.
«Wahrscheinlich finden wir sie an einer Stelle, die zu Fuß in einer halben Stunde oder weniger zu erreichen ist. Wenn Sie das nicht veranlassen können, informieren Sie die Staatsanwaltschaft. Damit müssen wir uns nicht Zeit lassen bis morgen früh.»
Klinkhammer schob eine der langen Haarsträhnen hinters Ohr und erklärte: «Oberstaatsanwältin Carmen Rohdecker ist bereits informiert. Meine Frau wollte das übernehmen, sie kennen sich seit der Schulzeit. Eine Suche kann ich selbst veranlassen.» Er griff zum Telefon und gab die Anweisung nach Hürth weiter.
Ein paar Minuten später erreichten sie den Amselweg, hielten sich jedoch nicht lange im Haus auf. Klinkhammer wich ihm nicht von der Seite, befürchtete immer noch, er könne Marko irgendein Beweisstück unterjubeln oder ein entlastendes Stück verschwinden lassen. Vielleicht war es gut so. Den bezeichneten Ordner fanden sie
Weitere Kostenlose Bücher