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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sie am Arm ins Wohnzimmer und sorgte dafür, dass sie sich auf die Couch setzte. Klinkhammer holte ihr ein Glas Wasser aus der Küche und fragte: «Geht’s wieder?»
    Das hörte sie, nickte auch, aber sie ging nicht, sie fuhr – raus aus Sindorf, auf die Erfttalstraße, auf den Parkplatz gegenüber der Autobahnauffahrt Richtung Köln. Sie schaute in Norberts Autoatlas, hatte immer noch das Plätschern der Dusche im Ohr und den Kopf voller Stimmen. Norbert fluchte auf Li. Eine Nutte, nannte er sie, die sich durchs Leben bumste, und wenn es einer ernst meine mit ihr, den lache sie aus. «Aber das wird ihr noch Leid tun eines Tages», sagte er. Und Li lachte: «Der Typ quatscht ständig von Rom. Er muss mich wirklich für bescheuert halten, wenn er meint, darauf falle ich rein.»
    Norbert irrte sich. Sie wollte nicht nach Rom. Das hatte sie nämlich nicht zu ihr gesagt, sondern zu der jungen Frau, der sie immer alles erzählte, auch, wo sie an diesem Nachmittag noch im Bergischen Land zu tun hatte. Ein romantisches Fleckchen in der Nähe von Kürten-Biesfeld.
    «Kenne ich», sagte die Frau. «Da war er mit mir auch mal.»
    Und Li seufzte: «Er wollte schon frühmorgens hin. Ich habe ihn auf Mittag gedrückt, ich muss ja noch packen. Um zwölf holt er mich ab. Hoffentlich setzt er nicht zu sehr auf Romantik. Um vier will ich ihn vom Hals haben. Ich habe noch was zu erledigen.»
    Erledigen! Das hallte ihr wie ein Donnerschlag in den Ohren. Kürten-Biesfeld, das fand sie im Autoatlas. Abfahrt Bensberg, das fand sie auch. Dann wollte sie weiter, aber es ging nicht mehr. An der Autobahnauffahrt stand eine Ampel, und vor der Ampel stand Christas Benz, Norbert saß am Steuer. Die Ampel war rot, er musste warten. Und sie stand tausend Ängste aus, dass er einen Blick zur Seite warf, seinen Ford Taunus zwischen den geparkten Wagen entdeckte. Dass er herüberkam und sie am Weiterfahren hinderte. Er musste ihr doch nur den Autoschlüssel wegnehmen. Und wenn er nicht nur unterwegs war, um sie zu suchen, dann konnte er weiterfahren – seinem Tod entgegen. Er war doch völlig ahnungslos.
    Er schaute nicht zur Seite, nur starr geradeaus. Sie meinte, ihn nervös mit den Fingern aufs Lenkrad trommeln zu sehen. Dann sprang die Ampel endlich auf Grün, der Benz zog ab. Und sie wusste, sie musste ihm einen Vorsprung lassen, sonst hatte sie keine Chance. Ihn auf der Autobahn zu überholen, konnte sie sich nicht leisten. Der Ford Taunus war zwar erheblich schneller als der Benz. Zweihundertzwanzig Spitze, hatte Norbert erst vor wenigen Tagen voller Stolz zu Sarah gesagt. Der Benz machte im Höchstfall hundertachtzig, und die auch nur, wenn es bergab ging. Aber Norbert war der bessere Fahrer. Und es war schon halb vier. Es war nicht mehr zu schaffen.
    Ihr Kopf platzte fast an den Erinnerungen und Gedanken, die sie jahrelang unterdrückt hatte. Um den Druck abzumildern, blieb ihr gar nichts anderes übrig, als ein paar davon auszuspucken. Diese furchtbaren Bilder, die ihr vor Augen schwebten, während sie untätig auf dem Parkplatz ausharrte. Wie hätte sie ahnen sollen, dass sie es exakt so ausdrückte, wie Scheib es seit Jahren tat? Mit der Erfüllung einer Sehnsucht in die Falle gelockt und grausam zugerichtet.
    Dass Klinkhammer nach ihrem Mann fragte, registrierte sie gar nicht. Sie war doch erst achtzehn, verlor vor Not und Panik um ihren Bruder beinahe den Verstand und wusste noch nicht, dass Marko Stichler existierte. Erst als Klinkhammer diese Frage stellte, fand sie zurück. Er fragte sehr nachdrücklich, ob sie mit ihnen nach Bergheim fahren wolle. Da könnten sie offen über alles reden, danach könne man sie bestimmt auch irgendwo sicher unterbringen, vielleicht in einem Hotel, zur Not im Frauenhaus.
    Sie wollte nicht nach Bergheim, nicht in ein Hotel und nicht ins Frauenhaus. Sie wollte auf die Autobahn. Sie musste – Norbert einholen, überholen, sich vor ihn setzen, ihn ausbremsen. Und wenn beide Autos kaputtgingen, auch gut, sollte Christa ihr doch den Kopf abreißen. Sie wollte Gas geben und musste feststellen, dass sie nicht mehr im Ford Taunus saß, sondern auf der Couch in ihrem Wohnzimmer.
    «Lassen Sie mich in Ruhe», verlangte sie tonlos. «Ich wüsste nicht, worüber ich mit Ihnen reden soll.»
    Klinkhammer schickte seinen uniformierten Kollegen in den Garten. Der Polizist schaute sich das Loch für den Teich an. Er grub sogar noch ein Stück tiefer und warf die Erde, die sie schon zu dem bogenförmigen Wall

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