Das letzte Opfer (German Edition)
mit Gummibärchen verstopfter Kindermund. Das dazugehörige Kind so dreckig, als hätte man es im Schlamm gewälzt, überall Erde auf dem Boden, sie auf der Couch und das Rollenheft in ihrer Griffnähe auf dem Tisch.
«Du hattest wohl heute noch keine Zeit zu kochen», stellte Christa fest in einem Ton, der exakt dem Ausdruck ihrer Augen entsprach. «So ungefähr hatte ich mir das gedacht. Wenn du so ein Heft in die Hand bekommst, ist mit dir nichts mehr anzufangen. Was spielst du denn diesmal, die Kameliendame? Warum hast du nicht kurz angerufen? Dann hätte ich dem Jungen etwas mitgebracht. Das ist doch keine Art, ihn mit Süßigkeiten zu füttern.»
Kevin zupfte an Christas Hand und zeigte in den Garten. Christa ging bis zur Terrassentür und legte eine Hand vor den Mund. «Ach du meine Güte, was ist denn hier passiert?»
«Ich war das nicht, Oma», beteuerte Kevin eilig. «Ich wollt es nur schön machen. Wir machen ein großes Loch mit Wasser für ein Fisch.»
«Ja, ja, nun sei mal lieb», sagte Christa.
«Das hat Papa auch gesagt», erklärte Kevin. «Wir waren bei ein Polizeimann, der hatte viele Blätter und Stiften. Aber ich durfte nicht malen.»
«Was?» Christa war schockiert. «Davon hat Marko aber nichts gesagt. Was habt ihr denn bei der Polizei gemacht?»
«Papa hat den Polizeimann erzählt, Mama ist suzi gefährlich», teilte Kevin eifrig mit. «Sie hat ein Mann tot gefahren. Da war sie noch jung. Ist sie jetzt alt?»
«Nein», sagte Christa, fixierte Karen mit einem verständnislosen Blick und verlangte: «Kannst du mir mal erklären, was hier los ist? Warum wird denn die alte Geschichte wieder aufgewühlt?»
Sie schüttelte den Kopf. Ihrer Mutter hatte sie noch nie etwas erklären können. Christa wartete sekundenlang auf eine Antwort, winkte dann ab und ging mit Kevin nach oben, um ihn zu waschen und umzuziehen. Als sie zurückkam, sagte sie: «Ich nehm ihn mit. Dann kann er noch was Vernünftiges essen. Wenn Marko nach Hause kommt, soll er ihn abholen. Von ihm erfahre ich vielleicht eher, was hier vorgeht.» In der Diele zog sie Kevin noch die Jacke an. Dann fiel die Haustür hinter beiden zu.
Wider und für
Thomas Scheib traf am frühen Donnerstagvormittag in München ein und hörte als Erstes von Josef Weigler, dass Marko Stichler am Ostersamstag mit Frau und Sohn unterwegs gewesen sei. Dass Klinkhammer erhebliche Zweifel gehabt hatte, nach Julia Roberts fragte und sogar die Vermutung äußerte, Stichlers Frau befände sich in Lebensgefahr, erwähnte Weigler nicht.
Weigler hatte am vergangenen Abend noch einmal mit Oliver Lohmann gesprochen und abgeklärt, dass Barbara in Köln nur ein paar lockere Freundschaften mit Arbeitskolleginnen pflegte. Von denen war bloß eine namens Sabine verheiratet, nicht mit einem Fotografen, sondern mit einem Informatiker, der einen grünen Nissan fuhr und keinen weinroten Mercedes-Kombi. Eine Freundschaft mit Karen Stichler war damit auszuschließen.
Mit diesen Auskünften war es Weigler gelungen, Klinkhammer zu beschwichtigen. Anschließend hatte er versucht, Anni Weingräber die strafrechtlichen Konsequenzen einer Falschaussage drastisch vor Augen zu führen, jedoch nur Hubert Weingräber angetroffen. Und Hubert hatte keine junge Frau im Mercedes bemerkt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sogar den Wagen auf dem Waldweg übersehen. Der alte Mann wollte mit der Sache nichts zu tun, nur seine Ruhe haben. Nach zweiundvierzig Ehejahren mit Anni konnte man ihm das nicht verdenken.
Für Weigler war die Sache klar, er empfahl Scheib wärmstens, sich mit dem Wachbeamten zu unterhalten. Das tat er als nächstes. Gegenüber einem BKA-Sonderermittler war der Beamte ein wenig kleinlaut, immerhin hatte er sich Zeit gelassen, Annis Hinweis auf den Mercedes weiterzuleiten, trotzdem nahm er kein Blatt vor den Mund.
«Wenn es statt der vermissten Frau ein Attentat auf den Papst gewesen wäre, hätte die Alte dem Mann eben das angehängt.» Er erzählte von der Nachbarin, die nur etliche Kilo weggehungert hatte und sich peinlichen Verhören sowie einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen musste, nur weil Anni Weingräber sich nichts gefallen ließ. «So eine kann ich nicht mehr ernst nehmen.»
Aber Anni Weingräber blieb bei ihrer Aussage. Als Scheib sie in Begleitung von Fährlich aufsuchte, war ihr Mann nicht in der Wohnung. Er hatte sich über Weiglers Besuch am Vorabend derart aufgeregt, dass er die ganze Nacht nicht geschlafen und Anni ihn
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