Das letzte Opfer (German Edition)
Spaziergänger und kein Parkplatz. Ob er sich einbilde, nur weil er einen Mercedes führe, dürfe er sich alles erlauben. Marko antwortete ihr gar nicht, wandte sich an den alten Mann, fragte anteilnehmend, wie lange er diese Kneifzange schon am Hals habe und wie lange er sie noch ertragen müsse. Dann nahm er seine Kamera und ging los, um ein paar schöne Motive zu suchen.
Etwa zehn Minuten später habe er dann dieses Motiv gefunden: ein nackter Altweiberhintern im Gebüsch. Vielleicht wäre es in diesem Augenblick sinnvoller gewesen, sich diskret zurückzuziehen, statt auf den Auslöser zu drücken. Aber der Anblick sei einfach zu köstlich gewesen. Und erst das Gesicht der Alten, als sie ihn bemerkte.
Er schilderte dann fast wörtlich die Auseinandersetzung, die Anni am Ostersonntag in einer Münchner Polizeiwache wiedergegeben hatte. Danach habe er sich nicht weiter um das zeternde Weib gekümmert, noch ein paar Aufnahmen gemacht – und um einundzwanzig Uhr in einem Hotel in Weilheim eingecheckt.
Weilheim! Der Geburtsort von Julia Roberts, immer noch der Wohnort ihrer Eltern. Scheib war schon ein wenig übel geworden, als er hörte, dass Marko Stichlers Frau Julia Roberts erwähnt hatte. Nun verstärkte sich die Übelkeit.
Wenn Barbara Lohmann nun doch die Antwort des Phantoms auf den Bericht im Wochenmagazin gewesen war, wie Wagenbach annahm? Dann gab es keinen besseren Ort für eine Übernachtung als Weilheim. Noch einmal in Erinnerungen schwelgen, den jahrelangen Triumph über die Polizei genießen unter den frischen Eindrücken des jüngsten Mordes. Zwischen der Beobachtung, die Stefan Leitner auf dem Parkplatz der Raststätte Edenbergen gemacht haben wollte, und Marko Stichlers Einchecken im Hotel lagen vier Stunden, in denen er alles Mögliche fotografiert haben konnte. Auch Barbara Lohmann mit dem Gesicht in einem schlammigen Tümpel oder eine Pfütze und seinem Fuß in ihrem Genick.
Was kümmerte einen Kerl, der sich für den perfekten, stets gründlich vorbereiteten Mörder hielt, eine wutentbrannte alte Frau? Natürlich klang logisch, was er am vergangenen Nachmittag über die Vermeidung eines Risikos zu Wagenbach gesagt hatte. Nur war es die Logik eines Polizisten, der sich nicht eingestehen wollte, dass er mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit möglicherweise den Tod einer jungen Frau herausgefordert hatte. Das Täterprofil, das er aus den bisherigen Fällen abgeleitet hatte, sprach dagegen. Überaus vorsichtig, eiskalter Intellekt, völlig emotionslos. Nur war das Theorie und traf nicht auf jede Situation zu.
Nur einmal angenommen, Wagenbach sähe es richtig. Marko Stichler las den Bericht im Wochenmagazin und nahm an, dass im September das Risiko zu groß sei. Das machte ihn wütend. Er musste dem Polizisten aus München, der seine Termine durchkreuzte, unbedingt zeigen, dass er flexibel war. Er entdeckte Barbara Lohmann in Köln, fand heraus, dass sie jedes Wochenende nach München fuhr. Ihre Ähnlichkeit mit Julia Roberts machte sie zum idealen Opfer.
Als Anni Weingräber und ihr Mann auf dem Waldweg auftauchten, war längst alles vorbei. Es war zu diesem Zeitpunkt keine Frau im Mercedes gewesen, darauf hätte Scheib immer noch geschworen. Aber vielleicht hatte Barbara Lohmann schon in dem für sie vorbereiteten Grab gelegen. Dazu hätte der Jubel am Telefon gepasst, es geschafft zu haben. In dieser Phase hatte er sehr starke Emotionen. Er war euphorisch gestimmt, schmeckte die Verhöhnung seines Jägers und machte sich über ein altes Weib lustig, weil er in der Situation einfach triumphieren musste und seinem Jäger nicht ins Gesicht lachen durfte. Und wenn das alte Weib sich anschließend in Richtung des Grabes bewegte, hatte er ihr ins Gebüsch folgen müssen.
Ihm war entsetzlich übel. Aussage gegen Aussage. Ein besorgter Ehemann und liebevoller Vater, der den kleinen Sohn mit ins Polizeibüro brachte, weil seine traumatisierte Frau nach der Konfrontation mit der Polizei dem lebhaften Kind nicht gewachsen war, gegen ein altes Weib, dass für seine Rachsucht polizeibekannt war.
Neben der Übelkeit fühlte er eine sonderbare Leere. Nach fast acht Jahren ein Ziel vor Augen. Es war zu plötzlich gekommen, um es sofort zu verinnerlichen. Und jetzt war die Lage schon so verfahren. Langsam heran! Nachdem Klinkhammer vorgeprescht war. Daraus war ihm kein Vorwurf zu machen. Klinkhammer hatte nicht wissen können, was er anrichtete. Weigler hingegen musste sich einiges anhören, Fährlich
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