Das letzte Opfer (German Edition)
Frau handelte, von der man annahm, sie habe ihren gewohnten Lebenskreis aus freien Stücken verlassen – wie Elisabeth Brandow.
Marion Schneider, einundzwanzig Jahre alt, abgängig seit dem 14. September. Das Erste, was ihm ins Auge stach, war das Datum. Derselbe Tag wie bei Claudias Cousine. Es gab noch eine weitere Gemeinsamkeit. Auch Marion Schneider hatte von Rom gesprochen. Angeblich hatte man ihr dort einen tollen Job angeboten, mehr wusste ihre Familie nicht.
So kam Thomas Scheib, der sich bis dahin nur ein paar flüchtige Gedanken über Elisabeths Mörder gemacht hatte, zu einem Fall, der ihn acht lange und bittere Jahre beschäftigen und am Ende gar in einen schrecklichen Verdacht bringen sollte.
Er brauchte im Dezember 1992 nicht lange, um herauszufinden, dass es noch zwei ältere Vermisstenfälle gab, bei denen Rom und der 14. September eine Rolle gespielt hatten. Angela Karpeling, zweiundzwanzig Jahre alt, letzter Wohnort Bielefeld. Sie war Angestellte in einem Reisebüro gewesen und hatte im September 1986 als Animateurin in einem Ferienclub in der Nähe von Rom beginnen wollen. Zwei Schnupperwochen nannte sie es gegenüber einer Arbeitskollegin. Elisabeth hatte von Schnuppertagen gesprochen. Die Arbeitskollegin war der Meinung, Angela habe sich auf eine Zeitungsannonce beworben.
Zwei Jahre später, am 14. September 1988, war Silvia Lenz aus Stuttgart verschwunden. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt und volontierte bei einer Tageszeitung. Angeblich hatte ihr ein Informant eine große Story geboten. Organisierter Autodiebstahl und Verschiebung von Luxuslimousinen nach Sizilien, die Hintermänner sollten in Rom sitzen, wo Silvia recherchieren wollte. Ein ernst zu nehmender Informant hätte sich an einen erfahrenen Journalisten, nicht an eine Volontärin und auch nicht an eine Tageszeitung gewandt.
Für Scheib waren das mit Elisabeth Brandow bereits vier junge Frauen, alle unter ähnlichen Umständen verschwunden. Und Elisabeth war tot. Da musste man in Betracht ziehen, dass auch die drei anderen einem Mörder zum Opfer gefallen waren. Das zeitliche Muster war offensichtlich, alle zwei Jahre im September. Nur für 1990 gab es keinen passenden Vermisstenfall. Scheib schrieb als Erstes alle großen Polizeibehörden an und bat um Auskunft über Mordfälle oder Leichenfunde für die fragliche Zeit, bei denen das Opfer weiblich und Anfang zwanzig gewesen war.
Von einem weiblichen Mordopfer im entsprechenden Alter war nirgendwo etwas bekannt. Und von dem bei der Staatsanwaltschaft Köln aktenkundigen Verkehrsunfall mit Todesfolge und Fahrerflucht, den Karen am 14. September 1990 im Bergischen Land verursacht hatte, erfuhr Scheib nichts, doch selbst wenn, hätte er zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich keinen Zusammenhang gesehen.
Marko
Für die Polizei in Bergisch Gladbach war der Unfall eine alltägliche Angelegenheit. An der Schuldfrage gab es keinen Zweifel. Karen hatte am Steuer und alleine im Wagen gesessen. Ein achtzehnjähriges Mädchen ohne Führerschein und Erfahrung im Straßenverkehr, unterwegs zu einem Rendezvous mit dem Vater ihrer Tochter, das ihre Freundin vor der Abreise nach China vermittelt hatte. So erzählte sie es. Und sie erklärte auch, sie habe im Lärm der Diskothek nicht genau verstanden, wo sie ihre Freundin und die verlorene Liebe treffen sollte.
Wie es passiert war, lag nach diesen Auskünften auf der Hand. Sie irrte in einer ihr unbekannten Gegend herum, wurde mit jedem Kilometer nervöser. Irgendwann wurde die Zeit knapp. Sie wollte nach Möglichkeit wieder unbemerkt von der strengen Mutter ins Haus gelangen, holte aus dem Wagen heraus, was der Motor hergab. Das war eine Menge, der Ford Taunus war getunt, hatte eine Maschine unter der Haube, die nicht hineingehörte. Norbert war mehr als stolz gewesen, dass der TÜV es durchgehen ließ.
Dann war ein Mensch tot, der Wagen Schrott. Und sie kam fast um vor Panik, weil sie nicht wusste, wie ihr Bruder reagierte. Damit erklärte sich alles, auch ihre erste Reaktion, die einen Landwirt zu der Annahme verleitete, Norbert Dierden habe ihr etwas antun wollen.
Der Landwirt war auf dem Kartoffelacker beschäftigt gewesen, in dem der Ford Taunus nach halsbrecherischer Fahrt landete. In seiner Aussage hieß es: «Ich hatte ja keine Ahnung, dass weiter hinten schon was passiert war. Ich sah nur zwei Autos heranrasen, das eine polterte mir fast vor den Trecker. Aus dem zweiten stürzte dieser Kerl auf uns zu, gerade, als ich das arme
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