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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Inspiration. Ein Augenblick der Erleuc h tung.
    Der französische Physiologe Pierre Janet nannte diesen Z u stand »die Herabsetzung der mentalen Schwelle«.
    Dr. Touchet sagt: »Abaissement du niveau mental.«
    Wenn man müde oder deprimiert ist, von Hunger oder Schmerzen geplagt wird.
    Dem deutschen Philosophen Carl Gustav Jung zufolge ve r schafft uns dies Zugang zu einem universalen Wissen. Zum G e samtwi s sen aller Menschen aller Zeiten.
    Carl Gustav Jung: was Peter ihr, Misty, über sie selbst gesagt hat. Gold. Tauben. Der Sankt-Lorenz-Seeweg.
    Frida Kahlo und ihre blutenden Wunden. Alle großen Küns t ler sind Kranke.
    Platon zufolge lernen wir nichts. Unsere Seele hat schon so viele Male gelebt, dass wir alles wissen. Lehrer und Ausbildung kö n nen uns nur an das erinnern, was wir b e reits wissen.
    Unser Elend. Die Unterdrückung unseres rationalen Denkens ist die Quelle unserer Inspiration. Die Muse. U n ser Schutzengel. Leiden führt uns aus der rationalen Selbstkontrolle und lässt das Göttliche in uns einströmen.
    »Ausreichend großer Stress«, sagt der Arzt, »positiver oder n e gativer Stress, Liebe oder Schmerz, lässt unsere Vernunft ve r kümmern und gewährt uns Ideen und Talente, die wir auf ke i nem a n deren Weg erlangen können.«
    Das alles könnte auch Angel Delaporte sagen. Stanislawskis Methode körperlichen Handelns. Eine zuverlässige Formel, Wunder auf Bestellung zu vollbringen. Sein Atem streicht warm über ihre Wange. Er riecht nach Knoblauch.
    Ihr Pinsel bleibt stehen, und Misty sagt: »Fertig.«
    Es klopft an die Tür. Das Schloss klickt. Dann sagt die Stimme von Grace: »Wie geht's ihr, Doktor?«
    »Sie arbeitet«, sagt er. »Hier, schreiben Sie Nummer vierun d achtzig drauf. Und tun Sie's zu den andern.«
    Und Grace sagt: »Misty, meine Liebe, wir dachten, das intere s siert dich vielleicht, aber wir haben versucht, deine Angeh ö rigen zu erreichen. Wegen Tabbi.«
    Man hört, wie jemand die Leinwand von der Staffelei nimmt. Schritte tragen das Bild durchs Zimmer. Wie es aussieht, weiß Misty nicht.
    Sie können Tabbi nicht zurückholen. Jesus könnte das vielleicht, oder die Jainas, aber sonst niemand. Mistys Bein ist lahm gelegt, ihre Tochter tot, ihr Mann im Koma, Misty selbst gefangen und körperlich verfallen, von Kop f schmerz vergiftet; wenn der Arzt Recht hat, müsste sie über Wasser gehen können. Tote erwecken.
    Eine weiche Hand legt sich auf ihre Schulter. Grace' Stimme e r tönt dicht an ihrem Ohr. »Heute Nachmittag verstreuen wir Ta b bis Asche«, sagt sie. »Um vier Uhr, draußen auf der Lan d spitze.«
    Die ganze Insel, alle werden sie da sein. Wie bei Harrow Wi l mots Totenfeier. Dr. Touchet, der den Leichnam in se i nem grün gekachelten Untersuchungszimmer mit dem Buchhalterschrei b tisch aus Stahl und den mit Fliege n schiss bedeckten Diplomen an der Wand einbalsamiert hat.
    Asche zu Asche. Ihr Baby in einer Urne.
    Leonardos Mona Lisa ist nichts als tausend mal tausend Pinse l striche. Michelangelos David ist bloß eine Million Hammerschl ä ge. Wir alle sind bloß Millionen Einzelteile, nur eben richtig z u sammengesetzt.
    Das Klebeband fest über den Augen, ihr Gesicht eine entspan n te Maske, sagt Misty: »Hat man es schon Peter gesagt?«
    Jemand seufzt, atmet tief ein und langsam aus. Und Grace sagt: »Was würde das bringen?«
    Er ist ihr Vater.
    Du bist ihr Vater.
    Als graue Wolke wird Tabbi mit dem Wind davontre i ben. Die Küste entlang auf die Stadt zu, das Hotel, die Häuser, die Ki r che. Die Neonreklamen und Werbeplakate und Firmenlogos und Markennamen.
    Lieber geliebter Peter, betrachte dich als informiert.

15. August
    Nur um das festzuhalten: Ein Problem beim Kunststudium b e steht darin, dass es einem die Romantik austreibt. Das ganze G e fasel über Maler und Mansarden verschwindet unter all der Chemie, Geometrie und Anat o mie, die einem auf der Akademie eingetrichtert wird. Was einem beigebracht wird, erklärt die Welt. Die Au s bildung stellt alles äußerst sauber und ordentlich dar. So klar und vernünftig.
    Die ganze Zeit, die sie mit Peter ging, wusste Misty, dass es nicht er war, den sie liebte. Frauen suchen nach dem physisch besten Exemplar als Erzeuger ihrer Kinder. Eine gesunde Frau ist so pr o grammiert, das glatte muskulöse Dreieck in Peters offenem Kragen aufzuspüren, weil Me n schen sich zu unbehaarten Wesen en t wickelt haben und durch Schwitzen kühl bleiben und kein brünstiges und obsoletes Pelztierprotein mehr ve r

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