Das letzte Treffen
Pferdestärken.
Wrummm!
Alle Zeitungen haben heute
Morgen darüber berichtet, dass Andri Olafur Sveinsson zu
Untersuchungshaft verurteilt worden ist. In einigen wurde im gleichen
Artikel auch sein abenteuerlicher Erfolg in der Geschäftswelt in
Erinnerung gebracht. Ohne jedoch meine Kenntnisse wesentlich zu vertiefen.
Eine typische Überschrift:
MILLIARDÄR DES MORDES
VERDÄCHTIGT
Natürlich habe ich
erwartet, dass die Medien den Reichtum meines Klienten als Aufhänger
nutzen würden. Zumal nicht jeden Tag einer der wohlhabendsten Männer
des Landes wegen eines widerwärtigen Mordes angeklagt wird. Und in
Einzelhaft hinter den starken Gittern von Litla-Hraun verschwindet.
In den Nachrichten der
Zeitungen wird die enge wirtschaftliche Verbindung zwischen Andri Ólafur
und Donald Garber betont. Dass sie beide jahrzehntelang umstrittenen
Waffenhandel betrieben und oft bei solchen Geschäften
zusammengearbeitet haben. Informanten, deren Namen geheim gehalten werden,
sagen aus, dass die Polizei den finanziellen Kontakten der beiden auf den
Grund gehen will. Dort fände sich wahrscheinlich das Motiv für
den Mord.
Diese Schlussfolgerung könnte
sich als richtig herausstellen. Wenn mein Klient überhaupt schuldig
ist. Allerdings geht es bei den meisten Tötungsdelikten vor allem um
Geld.
Wer hätte ansonsten das
größte Interesse an Donalds Tod?
Die Erben, von denen ich
immer noch nicht weiß, ob es welche gibt? Geschäftspartner wie
Andri Olafur? Oder ein unbekannter Konkurrent?
Ich brauche eine Antwort auf
diese Schlüsselfrage.
Ich werde mir wesentlich
genauere Informationen über das Leben und die Karriere von Donald
Garber beschaffen müssen. Direkt aus den USA.
Aber natürlich könnte
das Motiv für den Mord auf der Midnesheidi auch ein völlig
anderes sein. Die Verstümmelung der Leiche deutet nämlich darauf
hin, dass ziemlich starke Gefühle im Spiel waren.
Eifersucht?
Hass oder Rachegelüste?
Nichts ist ausgeschlossen.
Schon gar nicht, dass mein Klient unschuldig ist.
Mein Handy beginnt in der
Tasche zu singen, als mein Silberpfeil über die Kreuzung rauscht, wo
es nach Grindavik geht.
Ich werfe einen Blick auf das
Display. Es ist Máki.
Der Nachrichtengeier sucht
immer noch Stoff für einen neuen Artikel über Baldvin
Sigurlinnason.
»Sigurjóna will
mir nicht sagen, warum sie das Frauenhaus verlassen hat«, sagt er.
»Kannst du mir etwas berichten?«
»Aus mir kriegst du
momentan nichts heraus, was Sigurjóna betrifft.«
»Ist der Fall
gestorben?«
»No comment.«
»Na ja, dann ist es ja
wohl klar, dass Sigurlinni an ein paar Strippen gezogen hat«,
stichelt er und lacht. »So wie er es immer tut.«
Máki fährt eine
Weile in der Gangart fort. Hofft, dass ich mich aufrege. Und mich einen
Moment vergesse. Damit ich einen Kommentar fallen lasse, den er in seinem
Nachrichtenblog veröffentlichen kann.
Ein altbekannter Trick von
ihm, der manchmal wahrscheinlich sogar den erwarteten Erfolg bringt.
Obwohl er bei mir schon seit langem nicht mehr zieht.
Schließlich nervt mich
sein Bohren, und ich beschließe, Máki auf andere Bahnen zu
lenken. Auf nützlichere Bahnen für mich und meinen Klienten.
»Es ist schon merkwürdig
zu sehen, wie es der ausländischen Presse immer wieder gelingt, die
isländischen Medien rechts zu überholen«, sage ich.
»Uns überholen?«,
fragt er. »Inwiefern?«
»Mit Artikeln über
den Mord in Rockville.«
»Wer klaut uns einen
Scoop über was?«
»Das hast du nicht von
mir.«
»Aber selbstverständlich.«
»Geh ins Internet, und
guck mal in die Los Angeles Times.«
»Wozu?«
»Recherchier mal, was
sie über Donald Garber geschrieben haben.«
»Was haben sie denn
über ihn geschrieben?«
»Erinnerst du dich an
den Wonderland-Fall?«
»Wonderland?«
»Wonderland Club. 1998.«
Dem Nachrichtengeier geht
ungeheuer schnell ein Licht auf.
»Hör mal«,
sagt er fieberhaft, »war das nicht eine Gruppe von Widerlingen, die
Kinderpornos im Netz gesammelt haben?«
»Könnte sein.«
»Willst du mir sagen,
dass Donald Garber bei dieser Razzia einkassiert wurde? Ist er mit
Kinderpornos auf seinem Computer erwischt worden?«
»Lies mal die Los
Angeles Times.«
»Tschü-hüüs!«
Er beendet in Windeseile das
Gespräch.
Bingo.
Wenn ich Máki richtig
kenne, hat der Nachrichtenblog morgen früh einen reißerischen
Aufmacher über
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