Das letzte Treffen
wurden.
Hat Donald wirklich an dem
Abend, an dem er ermordet wurde, einen jungen Mann getroffen, wie Andri
Olafur angedeutet hat? Endete dieses Techtelmechtel mit Mord und Verstümmelungen?
Denkbar.
Aber warum wurde die Leiche
in der verlassenen amerikanischen Radarstation liegengelassen, wo Donald
vor mehr als drei Jahrzehnten seinen Wehrdienst abgeleistet hat? Und das
Messer in Andri Olafurs Jeep versteckt?
Die Wahl des Tatortes weist
eindeutig darauf hin, dass der Mörder Donalds Geschichte gut kannte.
Wusste, dass er früher in Rockville war. Und auch, dass Donald und
Andri Olafur Freunde und Geschäftspartner waren.
Ich weiß sehr wenig
über die persönlichen Umstände des Opfers. Viel zu wenig.
Ich muss versuchen, in den nächsten
Tagen mehr herauszufinden.
Lisa Björk kommt herein.
»Dieser Brief ist
gerade gekommen«, sagt sie. »Eilzustellung.«
Länglicher Umschlag. Weiß
und alltäglich. Aber mit vielen Briefmarken.
Der eigentliche Brief ist
kurz:
Bevor ich sterbe, muss ich
meine Gewissheit bestätigt bekommen. Würdest du mir bitte
helfen?
Matthildur Haflidadóttir,
Gardvangur.
Die Handschrift ist zittrig.
Der Brief enthält außerdem
einen Ausdruck aus dem Internet. Ein kurzer Artikel, der von der
Internetseite der amerikanischen Tageszeitung Los Angeles Times
ausgedruckt wurde:
LA MAN MURDERED IN ICELAND
In der Nachricht geht es um
den Mord an Donald Garber. Die isländischen Medien werden zitiert, wo
und wie die Leiche gefunden wurde. Und es wird über den Lebenslauf
des Opfers geschrieben.
Jemand hat mit einem gelben
Textmarker einen Absatz im Artikel angestrichen. Da wird berichtet, dass
Donald Garber im Jahr 1998 wegen seiner Teilnahme an einem internationalen
Kinderpornoring, dem Wonderland Club, festgenommen wurde, aber wegen guter
Zusammenarbeit mit der Polizei in Los Angeles nicht verurteilt wurde.
Ich zeige Lisa Björk den
Artikel.
»Ich kann mich dunkel
erinnern, dass ich damals Nachrichten von diesem internationalen
Kinderpornofall gehört habe«, sagt sie. »Weißt du, ob
auch irgendwelche Isländer auch darin verwickelt waren?«
»Ich glaube nicht«,
antworte ich.
»Der Mörder könnte
die Leiche von Donald Garber möglicherweise deshalb auf diese
ekelhafte Art verstümmelt haben, weil er ein Kinderschänder war«,
fährt Lisa Björk fort. »Das erklärt allerdings nicht,
an was diese Matthildur denkt.«
Später am Abend, als ich
es mir schon unter meiner Decke gemütlich gemacht habe, denke ich
erneut über Matthildurs Brief nach.
Bevor ich sterbe, muss ich
meine Gewissheit bestätigt bekommen.
Gewissheit über was?
13. KAPITEL
Mittwoch
Die meisten Alten von
Gardvangur liegen in ihren Betten. In langgestreckten niedrigen Gebäuden,
die früher für Seeleute und Handwerker auf der Walz waren.
An diesem verlassenen Ort,
weit außerhalb, warten Frauen und Männer tagein, tagaus darauf,
dass der Tod zu einer Privataudienz vorbeikommt. Haben einen starken
Medikamentencocktail intus, der ihnen helfen soll, die Bitterkeit des
Lebens zu vergessen.
Matthildur ist erst
zweiundsechzig Jahre alt. Aber die erbarmungslose Krankheit hat ganz
offensichtlich ihr Bestes getan, um sie, lange bevor ihre Zeit gekommen wäre,
umzubringen.
Der Krebs fragt nicht nach
Jahreszahlen.
Ihr Gesicht ist grau und
eingefallen. Ihre Gestalt abgemagert und gekrümmt. Mit
kurzgeschnittenem Haar, das alle Farbschattierungen des Lebens schon längst
verloren hat.
Ihr Zimmer ist klein und eng.
Bett, Nachttisch, Kommode und Sessel passen so gerade hinein.
Ich stelle meine rotbraune
Aktentasche auf dem Boden ab. Setze mich vorsichtig auf das gemachte Bett.
Betrachte Matthildur eingehend. Wie sie da im Sessel sitzt.
Sie scheint kaum noch Kraft
zu haben, um Gäste zu empfangen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann
sie genötigt sein wird, den letzten Funken Leben in sich loszulassen.
Die Frage einer sehr kurzen
Zeit.
»Wie lange bist du
schon hier?«
»Ich bin vor drei
Jahren hergekommen«, antwortet sie mit brüchiger Stimme. Und
sieht mich aus müden grauen Augen an. »Ich habe neulich im
Radio gehört, dass Frauen, die in solchen Pflegeheimen landen, etwa
noch zwei Jahre leben, aber das ist ein sogenannter Durchschnittswert und
hat offensichtlich in meinem Fall nichts zu sagen.«
Ich nicke.
»Mein Hausarzt war
vorgestern hier. Er findet es
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