Das letzte Treffen
gucken oder Radio hören.
Und ebenfalls keine Zeitungen lesen.
Kurz bevor ich mit meinem
Benz nach Osten über die spiegelglatte Hellisheidi brausen wollte,
bekam ich einen Anruf vom blasierten Bjarni. Er hatte eine Nachricht aus
dem Ausland erhalten. Eine E-Mail, die er nicht verstand.
»Ich weiß, dass
Andri Olafur auf eine Meldung von diesem Mann wartet«, sagt Bjarni.
»Er hat allerdings vergessen, mir das richtige Passwort zu geben.«
»Passwort?«
»Ja, alle Kontakte
zwischen mir und Andri Olafur, die sich über das Internet abspielen,
werden mit einem speziellen Programm codiert, aber das Passwort, das ich
bisher benutzt habe, funktioniert nicht bei dieser Mail.«
»Von wem kommt die
Mail?«
»Der Absender heißt
Kenneth Miller. Kannst du für mich nachfragen, was Andri Ólafur
damit machen will?«
Rund um das Gefängnis
sind ein paar Zäune gezogen, die eng beieinanderstehen. Und einige
Meter hoch sind. Bisher ist es jedenfalls nur sehr wenigen Gefängnisinsassen
gelungen, von Litla-Hraun zu fliehen.
Zwei mürrische Wachen
empfangen mich auf der Innenseite des großen Tores.
Sie begleiten mich bis in das
kleine fensterlose Zimmer, dessen einzige Möbel ein kleiner Tisch und
drei Stühle sind.
Ich muss eine ganze Weile auf
meinen Klienten warten.
Andri Ólafur ist
leicht bekleidet. Mit einer dunklen Hose. Einem weißen Hemd. Und
schwarzen Pantoffeln. Trägt aber weder Krawatte noch einen Gürtel.
Natürlich nicht.
Die Wächter im Knast
gehen kein Risiko ein. Zumal es sich nicht gut fürs Image macht, wenn
es Untersuchungshäftlingen gelingt, sich das Leben zu nehmen.
»Was gibt's Neues?«,
fragt er und setzt sich am Tisch mir gegenüber.
»Das Oberste Gericht
hat leider das Urteil des Bezirksgerichts wegen Untersuchungshaft bestätigt«,
antworte ich.
»Das war nicht anders
zu erwarten.«
»Die Suche nach Karitas
hat auch noch keinen Erfolg gehabt. Wir haben zwei Barkeeper gefunden, die
sich daran erinnern, sie an diesem Abend bedient zu haben, aber ansonsten
kannten sie sie nicht genauer. Sie sagen übereinstimmend aus, dass
sie sie noch nie vorher gesehen haben. Sie hat auch nicht mit Karte
bezahlt. Sondern immer cash.«
»Dann gibt es also auch
keine Spur aufgrund der Quittungen?«
»Nein. Die Barkeeper
erinnern sich vor allem an das lange rote Haar und den großen
rosafarbenen Hut. Ich finde es nicht unwahrscheinlich, dass sie eine Perücke
benutzt hat.«
Andri Ólafur nickt
nachdenklich.
»Ich bin auch noch mal
die Zeugenaussage deines Nachbarn durchgegangen, der gemeint hat, dich in
der Mordnacht in deinem Jeep davonfahren gesehen zu haben. Seine Aussage
ist dahingehend interessant, dass er nicht das Gesicht desjenigen gesehen
hat, der am Steuer saß. Er nahm es als selbstverständlich hin,
du wärst es, weil der Fahrer einen dunklen Wintermantel und einen Hut
auf dem Kopf trug. Er sagt, er habe dich neulich ebenso gekleidet gesehen.«
»Ja, genau, ich hatte
an dem Tag einen Wintermantel und einen Hut an«, antwortet Andri
Ólafur. »Es wird immer deutlicher, wie sorgfältig
geplant und durchdacht diese Verschwörung ist.«
»Wenn deine Aussage
stimmt.«
Andri Ólafur richtet
sich im Stuhl auf.
»Hast du etwas von
Bjarni gehört?«, fragt er trocken.
»Er hat eine codierte
E-Mail von Kenneth Miller bekommen.«
Andri Ólafur schließt
für einen Moment die Augen. Sitzt unbeweglich. Als ob er meditieren würde.
Schließlich öffnet
er wieder die Augen.
»Ist mein Laptop immer
noch von der Polizei beschlagnahmt?«, fragt er.
»Ja.«
»Ken sollte diese
Nachricht auch an eine meiner E-Mail-Adressen schicken. Ich möchte,
dass du diese Post für mich liest.«
»Wie mache ich das?«
Andri Olafur lehnt sich vor.
Bedeutet mir, näher zu kommen. Bis sich unsere Wangen fast berühren.
»Ich habe einen anderen
Laptop in Seltjarnarnes«, flüstert er mir ins Ohr. »Ich
bewahre ihn im Werkzeugschrank in der Garage auf. Der letzte Schrank,
oberste Schublade.«
»Warum flüsterst
du?«
»Ich gehe davon aus,
dass unser Gespräch abgehört wird.«
»Das Gespräch
eines Anwalts mit seinem Klienten? Das ist illegal.«
Andri Ólafur lächelt
zum ersten Mal. Überheblich.
»Isländer sind
unglaublich blauäugig, was das angeht«, sagt er. »Im
einundzwanzigsten Jahrhundert leben wir in einer Welt, in der die
Machthaber nur nach Erfolg fragen. Die Methoden
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