Das letzte Treffen
spielen keine Rolle, wenn
der Erfolg erbracht wird. Deshalb belauschen und filmen sie alles nach
Gutdünken.«
»Vielleicht.«
»Völlig klare
Sache. Du brauchst jedenfalls ein Passwort.«
Ich reiche ihm ein kleines,
gelbes Post-it. Und einen Stift.
»Kannst du es für
mich aufschreiben?«
Er kritzelt ein paar Worte
und schiebt das Blatt zu mir zurück. Auf dem Zettel steht in kleiner
Schrift:
ULYSSES 138 14 1+2
»Was soll das heißen?«,
frage ich.
»Buch, Seite, Zeile,
Worte«, flüstert er. »Du findest das Buch auf meinem
Nachttisch im oberen Stockwerk.«
»Wie komme ich in deine
Wohnung?«
»Bjarni hat einen Schlüssel.«
»Aha.«
Andri Ólafur erklärt
mir, was ich tun muss, um die E-Mail von Kenneth Miller zu finden und sie
zu decodieren. Schritt für Schritt.
»Hast du das begriffen?«,
fragt er schließlich.
»Ich kann das alles
behalten«, antworte ich. »Aber ich verstehe das nicht ganz.«
»Du musst es nicht
verstehen, nur ganz genau meinen Anweisungen folgen«, sagt Andri
Ólafur.
Dann reißt er den
beschrifteten Teil des gelben Zettelchens in klitzekleine Teile. Fast wie
ein Reißwolf. Und schiebt sich die Konfetti in den Mund.
Verdammter Verfolgungswahn!
»Wer ist dieser Miller?«,
frage ich.
»Ein guter alter Geschäftspartner,
der mir noch einen Gefallen schuldet.«
»Ein Waffenbruder von
Donald und dir?«
»Das kann man so sagen.«
»Warst du auch mit
Donald im Wonderland Club?«
Andri Olafur starrt mich an,
ohne mit der Wimper zu zucken. Seine Miene ist undurchsichtig. Wie bei
einem cleveren Pokerspieler. Wenn viel im Pott liegt.
»Was meinst du?«,
fragt er schließlich.
Ich berichte ihm vom Artikel
in der Los Angeles Times. Den Máki bis zum Äußersten für
den Nachrichtenblog des Tages zu nutzen wusste. Schrieb einen langen
Bericht über den Wonderland-Fall. Hat als Aufmacher der Internetseite
Details über Donald Garbers Leben gebracht. Ein Bericht, den andere
Medien schon zur Debatte aufgegriffen haben.
»Ich erinnere mich,
dass Donald damals Probleme wegen dieses Falles bekam, obwohl es ihm
irgendwie gelungen ist, halbwegs ungeschoren davonzukommen«, sagt
Andri Ólafur.
»Ich fände es
wichtig, diese Seite des Falles unter die Lupe zu nehmen.«
»Wie meinst du das?«
»Ist es nicht denkbar,
dass die Verunstaltung von Donalds Leiche einfach nur eine schreckliche
Rache für sexuellen Missbrauch war?«
Andri Ólafur denkt
über die Frage eine Weile nach.
»Aber das erklärt
noch nicht, warum versucht wird, die Schuld auf mich zu schieben«,
antwortet er dann. »Ich habe immer sorgfältig darauf geachtet,
mich nicht in Donalds Privatleben einzumischen.«
»Also warst du nicht
mit ihm im Klub?«
»Natürlich nicht.
Ich habe nie solche Neigungen gehabt.«
Er scheint es ehrlich zu
meinen.
Aber das sagt natürlich
gar nichts. Andri Ólafur Sveinsson kann mit Sicherheit ein sehr
überzeugender Lügner sein, wenn er es brauchen kann.
»Auch nicht, als du jünger
warst?«
»Nein, nie.«
»Und Donald? War er
immer schon ein Kinderschänder?«
Andri Ólafur zuckt mit
den Achseln.
»Auch als er hier bei
der Army war?«
»Warum fragst du?«
»Ein neun Jahre alter
Junge verschwand in Keflavik in dem Winter, den Donald auf der Midnesheidi
stationiert war. Karl lllugason. Erinnerst du dich an ihn?«
Andri Ólafur runzelt
die Stirn.
»War das nicht der
Junge, der ins Meer fiel?«, fragt er.
»So hieß es.«
»Was ist mit ihm?«
»Donald war mit der
Mutter des Jungen zu der Zeit zusammen. Hast du das gewusst?«
»Ach ja, genau, mit
Matthildur.«
»Hat Donald dem jungen
etwas angetan?«
Andri Ólafur richtet
sich im Stuhl auf.
»Ich verstehe, worauf
du hinauswillst«, sagt er nach einer langen Pause. »Allerdings
habe ich nie gehört, dass Donald mit dem Verschwinden des Jungen in
Zusammenhang gebracht wurde. Hast du etwas in der Hand, das darauf
hinweist?«
»Nein, leider. Du
vielleicht?«
Er schüttelt den Kopf.
Aber er denkt eindeutig an
etwas anderes. Als ob er in eine weit entfernte Vergangenheit eingetaucht
wäre.
18. KAPITEL
Seltjarnarnes ist klein und
flach. Hat Thórbergur Thórdarson einmal gesagt. Trotzdem
stehen dort verdammt tolle Villen. Und sauteuer. Unter anderem das
Einfamilienhaus von Andri Ólafur Sveinsson. Das mindestens
dreihundert Quadratmeter Grundfläche hat.
Ein relativ
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