Das letzte Treffen
diesem Verhör behauptet? Hat
er vielleicht in seinem Auto in der Hafnargata gewartet, bis der kleine
Kalli die Uferbefestigung heraufkam?
Denkbar. Aber nur, wenn Andri
Ólafur beim Verhör im Februar 1974 eiskalt gelogen und Donald
Garber ein falsches Alibi gegeben hat.
Sollte er das getan haben,
stellen sich plötzlich viele Fragen. Wobei manche direkt mit dem Mord
in Rockville in Verbindung stehen.
Die Frage des Motivs. Und was
Ursache und was die Folgen sind.
Ich muss mich mit Hemmi
unterhalten. Wenn er noch lebt. Bevor ich ins Südland fahre und eine
eindeutige Antwort von meinem Klienten einfordere.
Aber zuerst möchte ich
noch mal bei dem passionierten Angler einkehren. Der alten Schwarzjacke,
die die Ermittlungen zum Verschwinden von Karl Illugason geleitet hat.
28. KAPITEL
Njördur Njardarson brät
sich gerade einen halben Schellfisch. Und kocht Kartoffeln.
»Früher bin ich
immer hinunter zum Hafen gegangen, wenn die Boote anlegten, und habe mir
frischen Schellfisch oder Dorsch zum Kochen besorgt«, sagt er.
»Aber das ist lange vorbei, so wie das meiste von dem, was früher
gut war.«
»Ich habe deine
Berichte über das Verschwinden von Karl Illugason gelesen«,
sage ich und setze mich an den Küchentisch. »Manches hat mich
wirklich überrascht.«
Die alte Schwarzjacke stellt
die Platte unter der grauschwarzen Bratpfanne klein.
»Die Akte ist dann also
aufgetaucht«, sagt er und setzt sich mir gegenüber. »War
sie immer noch in einem Umzugskarton?«
»Ja.«
»Hab ich's mir doch
gedacht.«
»Ich fand es
interessant, die Zeugenaussage von Hermann Jónatansson zu lesen. Er
sagt aus, dass er an dem Tag, an dem Kalli verschwand, Donald Garber gegen
zwei Uhr in der Hafnargata getroffen hat«, fahre ich fort. »Und
deine Randbemerkung, Donald sei ein paar Tage später außer
Landes geflohen.«
»Geflohen?«,
wiederholt Njördur. »Das habe ich nie gesagt.«
»Nicht wörtlich.
Sinngemäß. Du hast auf einem Protokoll handschriftlich
vermerkt, dass du Donald noch einmal verhören wolltest, aber da hatte
er das Land bereits verlassen.«
»Das stimmt, ich wollte
noch einmal mit Donald sprechen, aber nicht, weil ich ihn wegen
irgendetwas verdächtigen würde. Ganz im Gegenteil fand ich den
Bericht von Hermann, die beiden hätten sich in der Hafnargata
getroffen, relativ unwahrscheinlich, und ich wollte, dass Donald diese
Aussage widerlegt. Es stellte sich auch durch andere Kanäle heraus,
dass der Amerikaner sich mit einem Kameraden an diesem Wochenende auf dem
Land vergnügt hat und daher niemanden zur selben Zeit in der
Hafnargata getroffen haben kann.«
»Bist du davon überzeugt,
dass Hermann gelogen hat?«
»Ja, aber ich glaube,
er hat es nicht wissentlich getan. Ich konnte mir das nur so erklären,
dass Hermann den Tag verwechselt hat. Er war schon seit zwei Wochen mehr
oder weniger besoffen, und sein Zeitgefühl war nicht ganz in Ordnung.«
»Aber weshalb hast du
dann Hemmis Behauptung geglaubt, dass er den kleinen Kalli am Strand hat
spielen sehen?«
»Weil Jakob sich daran
erinnert hat, Hermann an diesem Sonntag nicht weit von der Slippanlage
gesehen zu haben. Hemmi war daher tatsächlich in dieser Gegend
unterwegs, als Jakob wieder nach Hause ging.«
Die Kartoffeln haben
angefangen, im Topf auf dem Herd zu tanzen.
»Fandest du es wirklich
nicht merkwürdig, dass Donald so ohne Vorwarnung das Land verlassen
hat?«
»Männer, die Angehörige
einer Armee sind, müssen selbstverständlich dahin ziehen, wohin
sie geschickt werden, ob es ihnen nun gefällt oder nicht.«
»Mir wurde gesagt,
Donald war nur gerade sieben Monate hier stationiert. Und die normale
Aufenthaltsdauer von Soldaten auf dem Keflaviker Flughafen betrug zwei
Jahre.«
Njördur nickt. Mit
nachdenklicher Miene.
»Weißt du, warum
Donald so schnell aus dem Land geschickt wurde?«
»Nein, das weiß
ich nicht hundertprozentig.«
»Aber …?«
»Die Zeiten damals, wie
soll ich sagen … waren angespannt«, sagt er.
» Inwiefern?«
»Die Regierung hatte es
sich als Ziel in ihr Programm geschrieben, dass die amerikanische Armee
das Land verlassen sollte. Dieses Thema war ein heißes Eisen, ob man
nun für oder gegen die Army war, und alles, was mit der Base zu tun
hatte, stand unter strengster Beobachtung, von Politikern und den Medien.«
»Wie hängt das mit
dem Verschwinden von Karl
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