Das letzte Treffen
Kalli wurde
dort gemacht.«
Er ergreift meinen Arm.
»Was glaubst du, was
dem Jungen passiert ist?«
»Ich vermute, Donald
hat auf den kleinen Kalli in der Hafnargata gewartet und ihn zu einer
Spritztour eingeladen, die in Rockville im Wahnsinn endete.«
»Aber du kannst nichts
davon beweisen?«
»Ich weiß ganz
sicher, dass Donald zu dieser Zeit in der Hafnargata war.«
»Missbrauch ist eine
Sache, Mord eine andere.«
»Natürlich. Aber
wahrscheinlich handelte es sich nur um zwei Schritte in Donald Garbers
Verbrecherkarriere.«
Njördur denkt eine Weile
nach.
»Mir ist klar, dass ich
in diesem Fall von einer ganz anderen Seite aus angefangen hätte zu
ermitteln, wenn ich diese neuen Informationen schon 1974 gehabt hätte«,
sagt er nach längerem Schweigen. »Doch das heißt nicht
unbedingt, dass das Ergebnis ein anderes geworden wäre.«
»Donald hat Kalli im
Bunker missbraucht. Das Foto ist ein eindeutiger Beweis.«
»Dem stimme ich zu.«
»Das Gleiche könnte
am 17. Februar 1974 geschehen sein.«
»Theoretisch könntest
du recht haben. Aber ich wiederhole noch einmal, du hast nichts in der
Hand, was beweist, dass Donald den Jungen umgebracht hat.«
»Trotzdem wäre es
möglich.«
Njördur denkt weiterhin
über die Lage nach, während wir den gleichen Weg zurückgehen.
Den Abhang hinauf zum Mehrfamilienhaus.
»Ich bin fest
entschlossen zu fordern, dass neue Ermittlungen zum Verschwinden von Karl
Illugason eingeleitet werden«, sage ich. »Und dass man nach
seiner Leiche im Bunker in Rockville sucht.«
»Das wird wenig
Begeisterung im Außenministerium hervorrufen.«
»Amtsschimmel machen
mir keine Angst.«
»Obwohl das
amerikanische Heer das Land verlässt, wird es sich mit allen Mitteln
dagegen wehren, wenn jemand an den Geheimnissen der alten Radarstation rüttelt.«
»Das ist mir völlig
egal. Matthildur hat ein Recht darauf, dass vorhandene Möglichkeiten
ausgeschöpft werden, um ihren Sohn zu finden.«
Wir bleiben bei meiner
Staatskarosse stehen. Auf dem Parkplatz vor dem grün gestrichenen
Block.
»Du gehst deinen Weg
und ich meinen«, sagt er und reicht mir seine Pranke. »Obwohl
ich zu den Senioren gehöre und deshalb nicht länger im öffentlichen
Dienst arbeiten darf, kenne ich trotzdem viele einflussreiche Leute im
Ort. Sag mir Bescheid, wenn ich dir irgendwie helfen kann.«
»Eins kannst du hier
und jetzt schon tun.«
»Und das wäre?«
»Du kannst mir sagen,
wer dich im Februar 1974 angerufen hat. Im Auftrag des Außenministers.«
»Wozu?«
»Ich habe große
Lust, diesem Arsch den Hintern zu versohlen.«
Njördur lächelt
über meinen Enthusiasmus.
»Eine
Auseinandersetzung mit diesem Fuchs bringt dir nichts«, sagt er.
»Fuchs?«
»Ia, ich finde, es
passt, ihn so zu nennen.«
Ich beruhige mich.
»Es ist mir nicht
erlaubt, den Namen des Mannes zu nennen«, fährt Njördur
fort. »Ich kann dir nur sagen, dass du ihn zu kennen scheinst.«
»Warum glaubst du das?«
»Ich verfolge die
Nachrichten. Ihr seid in letzter Zeit beide im Zusammenhang mit einem Fall
genannt worden.«
Ich fixiere die alte
Schwarzjacke einen Moment. Bis bei mir der Groschen fällt.
»Es war doch nicht etwa
der Landeszentralbankdirektor Sigurlinni?«
»Das sind deine Worte,
nicht meine«, antwortet Njördur.
Aber sein Lächeln bestätigt
meinen Verdacht.
Klare Sache.
38. KAPITEL
Ich parke meinen Silberhengst
auf einem Parkplatz an der Sudurgata in Keflavik. Beuge mich ein wenig zur
Seite. Um durch die Scheibe das alte Haus richtig sehen zu können.
Das Haus des Kinderschänders.
Wahrscheinlich sind alle drei
Etagen vermietet. Obwohl es recht abbruchreif aussieht. Jedenfalls kann
ich überall gepflegte Gardinen erkennen. Auch in den kleinen Fenstern
unterm Dach. An der Giebelwand und der Dachschräge.
Zwei Kinder spielen auf dem
Grundstück Fangen. Ein Junge, der zehn Jahre alt sein könnte.
Und ein Mädchen, das eindeutig jünger ist.
Ich steige aus dem Auto. Hülle
meinen Babybauch mit meinem weichen, warmen Pelzmantel ein. Gehe zum Zaun,
der rund um das Haus steht.
»Hallo Kinder!«,
rufe ich. »Wohnt ihr hier?«
Sie bleiben stehen. Gucken zu
mir.
»Ja«, antwortet
der Junge.
Er hat rotes, gelocktes Haar.
Braune Augen. Ein mit Sommersprossen übersätes Gesicht.
»Wie heißt du?«
»Grettir, wie Grettir
der Starke.«
Er kommt zu
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