Das Leuchten der Insel
erkunden. Lass uns erst mal eure Sachen auf den Wagen laden und euch zu eurem Cottage bringen, damit ihr da einziehen könnt. Dann könnt ihr losziehen.«
Jim band das Boot vom Anleger los und fuhr es langsam zu einer knapp fünfzig Meter entfernt liegenden Boje, wo er es fest verankerte. Hood bot Quinn an, zusammen mit ihm in einem Beiboot rauszurudern, um Jim abzuholen, und Susannah beobachtete, wie Hood den Gebrauch von Rudern vorführte und zeigte, wie man einen Punkt am Ufer fixiert, um eine Orientierung für eine gerade Ruderstrecke zu haben. Quinn sah sehr klein aus, als er in dem Dingi saß und die Muskeln seines dünnen Rückens anspannte, während er an den Rudern zog. Und im Vergleich zu der Weite des ihn umgebenden Meeres war er klein. Susannah erschauderte.
Innerhalb weniger Minuten waren sie zurück und der Pick-up beladen, und Susannah fand sich auf dem Vordersitz wieder, eingekeilt zwischen Jim und Betty.
»Wir wohnen am Südwestufer«, erklärte Jim, während er das Tempo auf dem unebenen Fahrweg beschleunigte, der vom Anlegesteg zum Waschsalon führte.
Als sie sich auf der Höhe des Waschsalons befanden, konnte Susannah hinter dem kleinen Gebäude eine goldene Wiese sehen, die an einen dahinterliegenden Wald grenzte. Die Straße vor ihnen führte unter einem gewölbten Blätterdach von Alleebäumen entlang. Die Seitenstreifen der Fahrbahn waren mit hellgelben und rostroten Blättern übersät, die in tanzenden Kreisen von den Ästen der Eichen fielen und sich auch auf den Spitzen der Farne und Heidelbeerbüsche ausbreiteten. Sie kamen an zwei oder drei kleinen Häusern mit unterschiedlich großen Gärten vorbei, die sowohl aus Gemüse- und Blumenbeeten als auch aus ganzen Feldern bestanden. Auf einem der Felder stapelten sich die rostenden Karossen ausgemusterter Autos über den Grashalmen und wirkten wie eine Skulptur.
Betty bemerkte Susannahs Blick auf die Autos. »Es kostet ein Vermögen, ein Auto, das nicht mehr funktioniert, von der Insel wegschaffen zu lassen«, erläuterte sie. »Ich weiß, dass einige Leute sie für einen Schandfleck halten, aber wir schlachten sie noch aus und verwenden einzelne Teile.«
»Betreiben hier alle Landwirtschaft?«, fragte Susannah.
»Nicht alle«, antwortete Jim. »Viele Leute pflanzen einfach nur Obst und Gemüse für den eigenen Bedarf an. Wir bauen Gemüse an, um es einmal die Woche auf dem Bauernmarkt von San Juan zu verkaufen. Außerdem halten wir Hühner und Alpakas. Und wir haben gerade damit begonnen, mit kleinkörnigem Getreide für Brot zu experimentieren.«
»Und das erledigen Sie noch nach dem Unterricht?«, fragte Susannah.
Jim lachte: »Genau. Nein. Als ich die Lehrerstelle übernahm, haben uns unsere Nachbarn, Joël und Bob Baltimore, beim Pflanzen im Frühjahr geholfen. Ich hab’s dann Mitte Juni übernommen, als der Unterricht endete. Wir haben im vergangenen Sommer die Produkte und die Gewinne geteilt. Joël und Bob haben ebenfalls eine kleine Farm. Es hat sich für alle gelohnt, weil sie mehr Geld als sonst eingenommen haben, ich die Zeit hatte zu unterrichten und Fiona die Möglichkeit bekam, ihr eigenes Geschäft zu betreiben.«
»Fiona hat ein Geschäft?«
Susannah bemerkte, wie Betty wortlos die Lippen aufeinanderpresste.
»Ja«, nickte Jim. »Sie hat im vergangenen Jahr ein Importgeschäft gegründet. Sie importiert Yogaausstattung aus Indien und verkauft sie an Studios und Kunden, vorwiegend in Vancouver und Seattle. Sie ist jetzt für ein paar Monate in Indien.«
Yoga. Susannah hatte mehrere Kurse besucht, und es hatte sie verrückt gemacht. So in der Totenstellung zu liegen und über ihre Atmung nachzudenken, hatte fast eine Panikattacke bei ihr ausgelöst.
Sie bogen in die Zufahrt ein, und Hood sprang hinaus, um die Tore zu öffnen und sie hindurchfahren zu lassen. Sie kamen an zwei hohen Windrädern vorbei, deren silberne Flügelblätter sich in der Brise drehten. Schließlich fuhren sie vor einer einstöckigen weißen Schindelhütte vor, die ein schwarzes Dach und einen spitzen Giebel über der Eingangstür hatte. Links von der Hütte blühten ein paar robuste Chrysanthemen, Dahlien und Ringelblumen hinter einem Maschendrahtzaun. Jenseits des Gartens standen eine Gruppe knorriger Apfelbäume und eine ausgeblichene rote Scheune mit durchhängendem Dach. Hinter der Scheune konnte Susannah Felder sehen. Manche lagen brach, auf manchen wuchsen unzählige Winterkürbisse. Und noch weiter dahinter erstreckte sich der Wald,
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