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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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Gesicht zu ihr vor das Feuer. »Du musst mit dem Rauchen aufhören, Elizabeth!«
    Sie sah zu ihm hoch. »Hat mich bis jetzt auch noch nicht umgebracht. Außerdem gibt es mir vermutlich die Chance, vor dir zu sterben.«
    Er schüttelte den Kopf: »Du willst zuerst gehen?«
    Sie nahm einen weiteren tiefen Zug und drehte ihren Kopf von ihm weg, um den seidenen Wandteppich aus Keschan zu mustern. Darauf wand sich ein Pfad aus weißen Steinen zwischen blühenden Bäumen und üppigen Beeten mit roten und gelben Blumen, und anmutige Vögel stießen elegant aus einem blauen Himmel herab. Sie wurde nie müde, den Teppich zu betrachten.
    »Es ist schwer für mich, mir mein Leben ohne dich vorzustellen«, antwortete sie schließlich.
    »Ich weiß, weil ich mir meins manchmal ohne dich vorstelle. Verarmt.«
    »Was?« Sie sah ihn wieder an.
    »Verarmt.« Seine blauen Augen sahen in ihre und bohrten sich in ihre Seele. »Mein Leben wäre verarmt ohne dich.«
    »Ja«, sagte sie. »So wie es meins ohne dich wäre.« Und sie prostete mit ihrem Glas dem Mann zu, der nicht ihr Ehemann war, den sie aber mehr liebte als jeden Mann, dem sie je begegnet war – hier und jetzt und in jedweder Welt, die, falls es denn so sein sollte, noch kommen würde.

22. Kapitel
    Susannah 1978
    S usannahs Vater war an jenem Morgen fröhlich. Er pfiff auf die ihm eigene seltsame Art irgendeinen alten Song von den Beatles, indem er die Luft zwischen seinen Zähnen einsog, um die Töne hervorzubringen, statt sie auszublasen. Ihre Mom packte Sandwiches, Heidelbeeren, Karamellbonbons und Ginger Ale in eine Kühlbox. Lila wollte mit ihrer Schwester, Tante Tessa, in Harbor Springs shoppen gehen, während Dad mit den Kindern die Bootsfahrt unternahm. Susannah freute sich auf den Tagesausflug, aber sie bemerkte, dass ihre Mutter geistesabwesend war, weil sie ihre blaue Strickjacke falsch herum trug. Lila ermahnte alle, vorsichtig zu sein, aber dann vergaß sie beinahe, Janies kleine Schwimmweste mit in die Tasche zu packen.
    »Jeder von euch muss die ganze Zeit eine Schwimmweste tragen. Jonny, ich weiß, dass du ein guter Schwimmer bist, aber euer Dad muss auf euch alle drei aufpassen, also müsst ihr sie anlassen. Kein Herumalbern. Ihr müsst sitzen bleiben und euch festhalten, solange das Boot fährt«, sagte Lila und vermied es, ihren Mann anzusehen, bis sie fast aus der Tür waren. »Bist du sicher, dass es nicht zu viel ist, Hank?«, fragte ihn Lila. »Zwei Kinder und ein Knirps sind viel. Vielleicht sollte ich mitkommen.«
    Er warf ihr einen böse funkelnden Blick zu, der Susannah irritierte. »Du solltest bleiben. Ich schaff das schon! Susannah kann die Kleine im Auge behalten, und Jon hilft mir mit dem Boot. Okay?«
    Der damals elfjährige Jon nickte nachdrücklich.
    Im letzten Moment, als ihre Mutter gerade aus dem Zimmer war und nach Janies Sonnenhut suchte, steckte ihr Vater noch schnell einen Sechserpack Bier und einen silbernen Flachmann in die Kühlbox. »Man kann kaum von mir erwarten, dass ich den ganzen Tag draußen in der Sonne bin, ohne etwas zu haben, das meinen Durst löscht«, sagte er und zwinkerte Susannah zu. Die bekam es mit der Angst zu tun, aber sie wollte diesen ganz besonderen Tagesausflug nicht gefährden. Der erste Fehler.
    Nachdem sie ins Auto gestiegen waren, rannte ihre Mutter hinter ihnen her und begann, etwas zu sagen, brach dann aber ab. »Beobachtet den Himmel. Es kann schnell ein Unwetter aufkommen«, war alles, was sie sagte. Als wenn das Unwetter die einzige Gefahr gewesen wäre. Sie öffnete die hintere Tür und küsste Janie und Jon, dann beugte sie sich durch das offene Fenster der Vordertür, um Susannah zu küssen. »Sei vorsichtig, Hank!«, sagte sie.
    Nun wusste Susannah, dass ihre Mutter ihrem Vater nicht recht traute. Aber ihr Vater legte eine Hand auf Susannahs Knie und drückte es, womit er sie an das Geheimnis erinnerte, das sie teilten – als wären sie Freunde, Kameraden. Und sie konnte nichts von dem Bier sagen, konnte nichts tun, was einen Streit heraufbeschworen hätte.
    »Mach’s gut, Lila«, sagte er. »Ich hoffe, es klappt alles.«
    Ihre Mutter senkte den Blick, zog sich aus dem Fenster zurück, richtete sich auf und strich sich mit den Händen die Vorderseite ihres Kleides glatt. Ihr Vater betrachtete sie, wie sie so dastand, die Hände auf dem Bauch, aber er sagte nichts, sondern presste die Lippen zusammen und drehte den Schlüssel im Zündschloss herum.
    »Auf geht’s«, sagte er. »Bis

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