Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
nicht zu wecken. »Psst.« Sie kontrollierte rasch die Falle, in der tatsächlich etwas war.
»Komm«, flüsterte sie Evelyn zu. »Nehmen wir sie mit in die Küche. Hoffentlich ist noch niemand dort.«
Im Kochhaus griff Bette nach einem Messer.
»Willst du sie damit töten?«
»Ich werde es nicht mit bloßen Händen tun.«
Mit spitzen Fingern öffnete sie die Falle, zuckte aber sofort zurück. »Mein Gott!«
»Was ist drin?«, fragte Evelyn.
»Geh ein Stück zurück.« Bette stellte die Falle auf den Kopf. Im unteren Teil saß eine wilde, wütende Ratte. Darüber wand sich eine Schlange. »Oh, eine Sonderzuteilung. Die Schlange hat die Ratte wohl verfolgt, als sie in die Falle gegangen ist.«
»Wie willst du sie da rauskriegen?«, fragte Evelyn nervös. »Die wirken beide ziemlich furchterregend.«
»Stimmt. Würdest du nachsehen, ob im Feuer noch Glut von gestern Abend ist?«
»Ja, wir können es wieder anfachen, aber du willst sie doch nicht lebendig braten? Und was ist mit der Falle? Die kriegen wir nie wieder so hin«, meinte Evelyn.
»Rauch. Such etwas grünes oder feuchtes Holz. Wir räuchern sie aus.«
Evelyn nahm einen Armvoll grünen Bambus, der zum Fegen des Küchenbodens verwendet wurde, und tauchte ihn ins Wasser. Dann hielt sie ihn in die Glut. Als es zu qualmen begann, nahm Bette die Falle samt ihren Insassen und hielt sie darüber, bis die Tiere vom beißenden Rauch betäubt waren. Rasch holten die beiden Frauen die Geschöpfe aus der Falle, Bette tötete sie mit dem Messer, zog sie ab und nahm sie eilig aus. Evelyn beobachtete sie mit der Hand vor dem Mund.
»Lass uns den Kindern nichts davon erzählen. Weißt du, wie man so etwas zubereitet?«
Evelyn und Bette lächelten sich zu, als Marjorie und Philip sich die Finger abschleckten, nachdem sie die winzigen Knochen abgeknabbert hatten, die zerkleinert, gebraten und unter den Reis gemischt worden waren. Bette hatte behauptet, es wäre ein junges Huhn gewesen. Evelyn spülte ab und sammelte alle Knochen ein, die als Köder für die Falle taugten. Es war nur ein Happen gewesen, aber besser als nichts. Das würde den Kindern helfen, ein bisschen länger zu überleben.
Niemand traute den Soldaten. Die Japaner wollten keine Frauen bewachen, sondern für ihren Kaiser kämpfen, das wussten auch die Häftlinge. Um ihren Ärger abzulassen, schikanierten die Männer die gefangenen Frauen und machten ihnen das Leben so schwer wie möglich.
Philip hatte sich vor einiger Zeit Malaria eingefangen, und Bette war beunruhigt, als sich ein weiterer, sehr ernster Anfall ankündigte. Durch die Mangelernährung waren auch seine Abwehrkräfte geschwächt, er bekam hohes Fieber und war zu schwach, um aufzustehen. Es hatte keinen Sinn, ihn in die Krankenstation zu bringen, denn dort gab es keine Medikamente, und Bette konnte ebenso gut in der Baracke nach ihm sehen. Aber sie hatte kein Geld für Chinin. Ihr fiel Korporal Hashimoto ein, und sie erinnerte sich an seine Freundlichkeit, als sie aus der Isolationshaft entlassen worden war. Nun, sie hatte nichts zu verlieren. Sie fand ihn allein im Hof und verbeugte sich sehr langsam und demütig. Dann fragte sie ihn, ob sie mit ihm sprechen dürfe.
»Mein kleiner Junge ist sehr krank. Malaria. Ich brauche Arznei, Chinin. Können Sie mir helfen?«
Korporal Hashimoto sah sie wortlos an und zuckte mit den Achseln, dann ließ er Bette stehen. Wie sehr sie die Japaner hasste! Es war schlimm genug, dass sie Krieg gegen Frauen führten, aber wie konnte man so herzlos sein, kleine Kinder einfach sterben zu lassen?
»Ich begreife das einfach nicht«, sagte sie zu Evelyn. »Man sieht die Wachen oft mit Bildern von ihren Familien, aber sie wollen sich nicht eingestehen, dass wir unsere Kinder genauso lieben.«
Als Bette später vom Kochhaus mit einer Schale Reis zurückkam, den Philip nicht essen würde, rief Korporal Hashimoto sie zu sich.
»Dieser Widerling«, murmelte Bette kaum hörbar. »Was will er jetzt?«
Korporal Hashimoto schwieg, während sie sich vor ihm verbeugte, ließ dabei aber ein Papierpäckchen fallen.
»Heb das auf. Lass hier keinen Müll herumliegen! Du wirst sonst bestraft«, schrie er sie an.
Bette wollte schon einwenden, dass das Päckchen nicht ihr gehöre, doch da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie hob es auf, entschuldigte sich für ihre Unachtsamkeit und lief zu ihrer Baracke. Als sie das Päckchen öffnete, fand sie darin einige Chinintabletten und zwei klebrige Lutscher.
Eine
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