Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Haar ihrer Tochter. »Wir sollten dir Zöpfe flechten. Dann sind die Haare leichter sauber zu halten und stören nicht.«
»Gute Idee«, stimmte Bette rasch zu, denn mit Zöpfen würde Marjorie eher wie ein Kind wirken. »Diese vermaledeiten Flöhe und Läuse sind ein richtiges Problem.« Es gab eine Frau im Lager, die Friseuse gewesen war und einen Haarschnitt gegen Essen tauschte. Von ihr hatte Bette sich bereits ihre langen, welligen Haare abschneiden lassen. Kurzes Haar ließ sich sauber halten, besonders weil Seife hier ein sehr seltenes Gut geworden war.
Auch hatte Marjorie in den letzten Wochen mehr Zeit mit den Frauen verbracht als mit den Kindern, weil sie das interessanter fand. Nun aber entschieden Bette und Evelyn, dass sie wieder mit den Kindern spielen sollte.
»Nur zur Sicherheit«, erklärte ihre Mutter.
»Setzen wir uns doch abwechselnd mit den Kindern zusammen und zeigen ihnen Sachen, die wir können, oder erzählen ihnen Geschichten über unsere Familien und darüber, wie wir aufgewachsen sind. Ich wette, dabei lernen wir alle etwas.«
Diese Treffen zwischen den Kindern und den Frauen wurden zu einem der beliebtesten Ereignisse im Lager. Sie alle erfuhren etwas Schönes aus dem früheren Leben ihrer Mitgefangenen. Sie lachten, und manchmal weinten sie auch, aber für die Kinder war es eine Erinnerung an das Leben in Freiheit, das sie schon fast vergessen hatten und auf das sie sich freuen sollten.
Zeit wurde in Mahlzeiten gemessen. Die Frauen dachten beinahe nur an Essen. Ständig sprachen sie davon, beschrieben ihre Lieblingsspeisen, tauschten Rezepte aus und träumten von den Gerichten, die sie essen würden, wenn sie erst wieder frei waren. Und dabei wurden die Rationen noch knapper.
»Das ist widerlich. Wie sollen wir davon leben?«, jammerte Norma, als sie wieder einmal wässrige Reissuppe mit ein paar getrockneten Bohnen vorgesetzt bekamen.
»Um zu überleben, müssen wir alles, was wir haben, für Grundnahrungsmittel ausgeben«, klagte Babs.
»Wenn wir unser Essen selbst anbauen könnten, hätten wir genug«, meinte Evelyn.
»Wir haben immer wieder gefragt, ob wir nicht das alte Reisfeld neben dem Lagertor bepflanzen könnten, aber Sakura meint, er hätte nicht genug Soldaten, um uns zu bewachen«, erklärte Bette.
»Als ob wir in unserem Zustand davonlaufen könnten! Dieser Mann ist wirklich ein Idiot. Ich würde so gerne ein paar Hühner halten. Zu Hause hatte ich welche, und sie machen wirklich kaum Arbeit«, erzählte Norma, doch sie wurde von June unterbrochen, die höchst interessante Neuigkeiten hatte.
»Ich komme gerade aus Sakuras Büro. Er wird versetzt. Im Grunde befördert, zur kämpfenden Truppe.«
»Ich hoffe, es erwischt ihn«, sagte Babs. »Diesen alten Widerling. Erinnert euch nur daran, was er Bette angetan hat.«
Bette war nachdenklich. »Fragen wir doch den neuen Kommandanten, ob wir einen Garten anlegen dürfen. Vielleicht ist er aufgeschlossener. Wann kommt er hier an, June?«
»Keine Ahnung, aber ich schätze, in wenigen Tagen. Und möglicherweise ist er ja wirklich vernünftiger.«
»Ach, die wissen doch nicht einmal, was dieses Wort bedeutet«, schnaubte Norma.
»Also, ich denke, wir sollten fragen«, meinte Evelyn. »Wir brauchen dringend mehr zu essen. Fast jeder ist inzwischen pleite, sogar Hannah. Alle werden immer leichter krank, weil wir hungern müssen.«
Sie liefen zum Zaun und betrachteten die zerfurchte Erde, die einmal ein Reisfeld gewesen war.
»Es sieht nicht so aus, als wäre da Wasser. Wir müssen entweder selbst Wasser hinbringen oder einen Brunnen graben«, überlegte Babs.
»Wenigstens sieht der Boden gut aus. Aber wo wollen wir Saatgut herbekommen?«
»Das wird am schwersten auszuhandeln sein«, meinte Bette. »Wir könnten vielleicht etwas Wurzelgemüse bekommen und es auskeimen lassen oder die Samen sammeln und ausbringen. Süßkartoffeln, Tapioka, etwas Grünzeug.«
»Wer soll das organisieren und wer auf dem Feld arbeiten?«, fragte Norma.
»Jeder, der noch kann«, antwortete Bette entschieden.
Einige Frauen wandten ein, sie fühlten sich nicht mehr stark genug, um noch mehr körperliche Arbeit zu bewältigen, doch da ergriff Gloria das Wort.
»Ich finde, Bette hat recht. Ein Garten ist eine gute Idee. Wir können nicht einfach rumsitzen und langsam verhungern. Jedes bisschen Gemüse hilft uns am Leben zu bleiben, weil es für Abwechslung in unserem kargen Speiseplan sorgt. Ich schlage vor, dass June mit dem neuen
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